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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr
Autoren: C Geraghty
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die mir verriet, wo genau aus den Midlands er herkam. Er stammte offensichtlich aus Donegal.)
    »Oh«, erwiderte ich. »Nun ja, bei mir auch nicht. Genau genommen …« Das Telefon klingelte.
    »Ich bin in einer Minute zurück.« Er glitt aus dem Bett und verließ leise das Zimmer. Seine Haut war sogar noch heller als meine. Geisterhaft weiß.
    Wie bei den meisten rothaarigen Frauen stand ein dunkler
Teint auf der Liste unbedingt notwendiger Dinge für meine Wunschwelt oder mein Paralleluniversum oder wie auch immer man es nennen will. Zarter brauner Teint ohne Sommersprossen, die wie in meinem Fall die Landschaft verunstalteten, einfach nur Schattierungen von Braun und Nochbrauner. Shane war makellos braun.
    Jetzt wo Bernard weg war, sah ich mich gründlich um. Sollte mich allerdings jemand fragen, würde ich beim Grab von Großmutter Mary (wenn sie tot wäre) schwören, dass ich noch nie zuvor hier gewesen war.
    Es war ein großer Raum, der größer hätte wirken können, wären da nicht diese Geräte gewesen: zwei Rechner, ein überdimensionaler Bildschirm, ein Laptop, ein DVD-Spieler, eine Stereoanlage, drei Lautsprecher. Seltsamerweise nur eine Fernbedienung, ein dicker Klotz, mit dem allein man, wie ich schloss, all den Kram im Zimmer bedienen konnte. Wahrscheinlich konnte man damit auch die Jalousien hochziehen, das Bett tiefer stellen und einen starken Gin Tonic mixen. Kabel wanden sich wie Schlangen über den Boden, und es überraschte mich, dass ich vergangene Nacht nicht über sie gestolpert war. Vielleicht war ich das aber auch. Ich suchte mich auf Blutergüsse hin ab. Da war ein neuer auf meinem Schienbein. In der Form von Irland. Als ich auf Cork drückte, tat es weh.
    Inmitten all der Technologie etwas fehl am Platz wirkte ein Buchregal, das die ganze Wand entlanglief. Ich zog das Laken fest um mich und schwang mich aus dem Bett. Drei – leere – Kondomhüllen lagen auf dem Boden verstreut. Drei. Ich tat einen Schritt über sie hinweg, ohne hinunterzuschauen. Die Büchersammlung schien in einzelne Genres aufgeteilt zu sein. Auf dem obersten Regalbrett waren die Klassiker zu Hause – Charles Dickens, Henry James, Thomas Hardy -, und sie sahen aus, als wären sie
tatsächlich gelesen worden. Um genau zu sein, sahen sie aus, als hätte jemand sie regelrecht verschlungen. Mehrmals. Ich blätterte einige durch. Sie hatten Eselsohren und Rotweinränder und waren mit den Jahren vergilbt. Auf dem Brett darunter befanden sich einige Krimis, Biografien, Geschichtsbücher, die obligatorische Ausgabe vom Fänger im Roggen, Schulter an Schulter mit einem Beano -Jahrbuch von 1978.
    Es zog mich zur Selbsthilfe-Abteilung, und das vor allem deshalb, weil ich kaum glauben konnte, dass eine existierte. Bei näherer Betrachtung war sie eigentlich eher eine Ratgeber-Abteilung. Wie man erfolgreich Schach spielt. Das Buch der Knoten (ehrlich, ich schwöre bei Gott). Eines über Mode mit dem Titel Dress to kill, das ein Geschenk von jemandem sein musste, der Sinn für Humor besaß. Laut der handschriftlichen Widmung auf der Innenseite des Buchdeckels stammte es von einem gewissen Edward.
    Der Buchtitel sollte nicht wörtlich genommen werden, und du solltest aufhören, es zu tun. Schnell. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Brüderchen, von Edward. August 2001
    Ich schaute zum Bett. Es war lang und breit; ein feister Finger, der vorwurfsvoll auf mich zeigte. Bernards abgelegte Kleidungsstücke ragten wie zerstückelte Körperteile unter dem Bett hervor. Der Ärmel einer Strickjacke (er trug Strickjacken), das Bein einer Hose aus Flanell (er trug Hosen, die man wohl Flanellhosen nennen könnte und die zwei bis drei Zentimeter über dem Knöchel endeten), der zerknitterte Leichnam eines T-Shirts, auf dem, wenn ich mich richtig erinnerte, »Ladybirds Rock« stand und zwei Marienkäfer, die auf einem Felsen kauerten, abgebildet waren
(er trug T-Shirts, die eine Aufschrift hatten und dazu erläuternde Bildchen).
    Im Büro war seine Kleidung Gegenstand des Kaffeepausen-Geredes (mit meist – nein, immer – abwertenden Kommentaren). Bisher hatte ich seine Sommergarderobe noch nicht mitbekommen, aber ich hätte darauf gewettet, dass ein Paar Sandalen mit Lederriemen dazugehörte. Laura machte Witze darüber, dass sie aus Nächstenliebe mit ihm ins Bett gehen würde, nur um Zugang zu seinem Kleiderschrank zu erhalten und den Inhalt zu verbrennen, wenn er gerade nicht hinsah.
    »Unter diesen Polundern und Feinrippunterhosen
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