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Tag vor einem Jahr

Titel: Tag vor einem Jahr
Autoren: C Geraghty
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Tastatur ist wirklich ziemlich klebrig.«
    »Ich habe aber ganz sicher keine Cola darauf verschüttet.« (Es war ein Club Orange, um genau zu sein.)
    Und dann: »Wie lange wird es dauern, ihn zu reparieren? Ich warte auf eine sehr wichtige E-Mail.« (Antwort vom Friseur auf eine mit höchster Prioritätsstufe versehene Terminanfrage)
    Bernard O’Malley. Wenn man ihn sah, war er meistens über einen Computer gebeugt und spähte durch seine klitzekleine James-Joyce-Nickelbrille auf den Monitor.
    Vielleicht habe ich ihn auch einmal im O’Reilly’s gesehen, zum üblichen Freitagabend-Absacker nach dem Motto »Nur der eine Drink, ach was, lass uns bleiben, bis es Zeit zum Rauswurf ist«, wo er durch seine klitzekleine James-Joyce-Nickelbrille in die moorig-schwarzen Tiefen seines Guinness spähte.
    Jetzt lag er da wie Jesus am Kreuz, die Arme von sich gestreckt und seine unteren Regionen gekrönt von einer enormen Erektion. Er lächelte im Schlaf; welcher heißblütige Mann würde das auch nicht bei einer derart prächtigen Ausstattung. Und seine Haare? Die waren schreiend rot. Sogar noch röter als meine. Laura würde außer sich vor Wut sein. Das hier verstieß definitiv gegen Regel Nr. 35 (Haarfarbe), Unterabschnitt D (rothaarig). Was Rothaarige betraf, die mit rothaarigen Artgenossen schlafen, also, dafür gab es noch nicht einmal eine Regel, so falsch war das.
    Bernards Haare und Shanes Haare hätten unterschiedlicher nicht sein können. Bernard hatte die Art von Haaren, die gleichzeitig in alle Richtungen standen. Sie waren nicht lang, hätten aber einen Schnitt vertragen können. Meine Mutter würde sie unordentlich nennen.

    Seine Brille hatte er nicht auf, an den Seiten seiner langen, schmalen Nase, wo sie gesessen hatte, waren jetzt zwei tiefrote Druckstellen zu sehen. Ich hob meinen Kopf noch ein bisschen höher, vergewisserte mich, dass er nach wie vor schlief, und ließ meine Augen an ihm hinunterwandern. Seine Füße hingen über den Bettrand hinaus. Mir war gar nicht aufgefallen, dass er so groß war, bisher hatte ich ihn eigentlich nur sitzend gesehen (im Büro, im Pub, siehe oben). Guter Gott! Er trug SOCKEN – braune mit orangefarbenen Tupfen.
    Ich presste meine Augen zu und versuchte, nicht an die gestrige Nacht zu denken. Selbst hinter den geschlossenen Lidern tauchten die Erinnerungen auf, gerade so nicht greifbar, weshalb ich sie nicht wie Fliegen verscheuchen konnte.
    Ich musste mir etwas anziehen. Zuerst aber musste ich Bernards Männlichkeit bedecken. Sie besaß ihre eigene Anziehungskraft: Meine Augen huschten immerzu südwärts, wie Magneten zum Pol. Vorsichtig stemmte ich mich auf alle viere hoch – der Autounfall in meinem Kopf entwickelte sich zu einer Massenkarambolage – und beugte mich auf der Suche nach einem Bettlaken, oder wenigstens einem Geschirrtuch, über den Bettrand.
    Hinter mir hörte ich ihn sprechen.

2
    Ich weiß nicht, was er sagte. Ich hörte nur eine Stimme, die Worte kamen nicht bei mir an, als ich, ein zittriges Häufchen Elend, von der Bettkante fiel.
    »Grace, geht es dir gut?« Bernard beugte sich über den Bettrand und schaute auf mich herunter, wandte aber sofort den Blick ab, als ich, in dem Versuch, sie zu bedecken, meine Brüste betatschte. Es bräuchte mehr als zwei Hände, um die Mädels zu verbergen.
    »Entschuldige, ich dachte nur, du hättest dich vielleicht verletzt.« Er grabschte nach einem Bettlaken und reichte es mir mit abgewandtem Blick. Ein Zeichen von Respekt? Oder konnte er einfach meinen Anblick nicht ertragen?
    Dann bemerkte ich seine Hände. Ich war fixiert auf Hände. Andere Frauen standen auf Beine oder Pobacken oder Augen oder Länge des männlichen Glieds. Ich stand auf Hände. Bernard besaß das, was man wohl Künstlerhände nennen würde – lange schlanke Finger, gekrönt von rosafarbenen, mandelförmigen Nägeln. Starke Hände mit langen, feinen Härchen darauf, die ihnen die nötige männliche Note verliehen.
    Während ich mich schnell mit dem Tuch bedeckte, fehlten mir einen Moment lang die Worte. Mein Blick sagte: »Du bist jetzt dran.« Er streckte die Hand aus und fand unter seinem Bett eine Boxershorts (weiß mit roten Rosen, die sich von einem gewundenen grünen Stängel aus wild in Richtung Gummibund rankten). Ob es diejenigen
waren, die er vergangene Nacht abgelegt hatte, oder ob er dort seinen Geheimvorrat aufbewahrte, wusste ich nicht. Ich war einfach nur erleichtert, dass er sich bedeckt hatte, auch wenn sich seine
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