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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung
Autoren: Liad Shoham
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nach draußen, etwas unternehmen.
    »Kommen Sie«, sagte er zu Giladi, »wir müssen los.«
    * * *
    Er fuhr schnell, überholte links und rechts. Galith Lavi hatte ihm einmal erzählt, dass sie in der Nähe von Adi Regev wohnte. In der gleichen Straße. Er rief sie erneut an, doch sie antwortete nicht.
    Er wurde zunehmend unruhiger. Und wenn seine Theorie von Anfang bis Ende stimmte? Wenn Engel noch in dieser Nacht versuchen würde, Galith etwas anzutun? Was dann? In letzter Zeit hatte ihn seine Intuition schwer getäuscht, sie hatte ihm viele Jahre lang aber auch gute Dienste geleistet. Er brauchte jetzt Selbstvertrauen, durfte nicht gleich schlussfolgern, dass er sich irrte.
    Er rief sie wieder an – keine Antwort. Auch Engel ging nicht ans Telefon.
    Ihm blieb nichts anderes übrig. Er musste das Risiko eingehen. Wenn er sich irrte, dann war es eben so. Falls nicht, könnte er sich das nie verzeihen.
    Ohad ging ans Telefon, klang verschlafen. Im Hintergrund hörte er Geräusche, ein Fernseher lief. Er redete schnell. Legte ihm seine Theorie dar, erklärte ihm, was ihm klar geworden war oder wovon er zumindest dachte, dass es so sei. Ohad hörte ihm schweigend zu. Aus dem Augenwinkel registrierte er, wie Giladi ihn mit offenem Mund anstarrte.
    »Was sollen wir deiner Meinung nach unternehmen?«, fragte ihn Ohad, als er fertig war. Sein Ton war sachlich.
    »Schickt einige freie Einsatzwagen in die Gegend der Louis-Marshall und den ersten zu ihrer Wohnung«, antwortete er und drückte aufs Gaspedal.
    »Ich bin geschockt, einfach geschockt«, sagte Giladi, als er aufgelegt hatte.
    »Beruhigen Sie sich. Das ist nur eine Theorie. Ich bin mir nicht sicher, dass ich recht habe. Wir dürfen nur kein Risiko eingehen«, versuchte er Giladi ruhigzustellen. Er würde der Erste sein, der ihm in den Rücken fiel, wenn er sich irrte, das wusste er.
    »Das erscheint mir jetzt völlig logisch, alles passt zusammen. Ich habe ihn immer für einen Psychopathen gehalten«, sagte Giladi. »Jetzt ist klar, warum er mich die ganze Zeit mit dieser Geschichte traktiert hat, dieser geisteskranke Typ! Er muss unglaublichen Spaß daran gehabt haben, dass der falsche Mann beschuldigt wurde. Und wie es ihn gefreut haben muss, als ich Adi Regev vor ihrem Haus behelligt habe, weil er es so wollte. Und diese Abgebrühtheit, die armen Eltern von Dana Aronov zu interviewen …«
    Eli Nachum entgegnete nichts.
    »Ich habe schon die Schlagzeile für morgen«, murmelte Giladi: »›Der teuflische Engel‹.«

63
    Sarah Glaser radelte im Traum wie damals als Kind durch die Straßen Tel Avivs, als laute Sirenen sie aus dem Schlaf rissen. Sie sah auf ihren Wecker neben dem Bett. Es war Viertel vor zwölf. Morgen wollte sie früh aufstehen, um in der Poliklinik gleich dranzukommen. Dr.   Schacham hatte ihr zwar den ersten Termin reserviert, doch darauf wollte sie sich nicht verlassen.
    Sie schloss die Augen in der Zuversicht, wieder einzuschlummern und den süßen Traum fortzusetzen, doch da war nichts zu machen. Ohnehin fiel ihr das Einschlafen schwer. Und erst recht, wenn draußen solcher Aufruhr herrschte.
    Sie erhob sich langsam aus ihrem Bett und machte das Licht an. Es reichte nicht, dass die Sirenen heulten, jetzt knatterte auch noch ein Hubschrauber über der Wohnanlage.
    Sie ging durch die Zimmer ihrer dunklen Wohnung und schaltete eine Lampe nach der anderen ein. Sie hatte Angst, so allein, vor allem in der Finsternis. Seit Sefi gestorben war, wetterte niemand mehr: »Was soll diese Festtagsbeleuchtung, haben wir heute Unabhängigkeitstag?« oder »Arbeite ich etwa bei den Stromwerken?« Sie griff zum Fernglas und zog die Jalousie hoch. Grellblaues Licht blendete sie, als sie ihr Fernglas ausrichtete.
    »Das ist eine Mitteilung der israelischen Polizei. Alle Bewohner werden gebeten, in ihren Häusern zu bleiben. Öffnen Sie niemandem die Türen«, vernahm sie eine blecherne Stimme aus einem Megafon.
    Sie richtete ihr Fernglas auf die Straße und bekam diesen netten Polizisten vor die Linse, der vor einem Monat oder noch länger bei ihr gewesen war. Er rannte die Straße auf und ab, so schnell er konnte, er humpelte dabei beträchtlich. So hatte sie ihn gar nicht in Erinnerung. Er war aus dem Polizeidienst entlassen worden, das hatte sie gelesen. Da musste zweifellos ein Irrtum vorliegen. Er war so ernsthaft bei der Sache gewesen, er verstand etwas von seinem Fach und hatte Manieren.
    Am Ende der Straße blieb der Polizist neben einem
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