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Tag der Vergeltung

Tag der Vergeltung

Titel: Tag der Vergeltung
Autoren: Liad Shoham
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überlassen.
    Er sah Nachum über die Schulter, während der die einzelnen Fotos unter die Lupe nahm.
    »Ist das Ihr Redakteur?«, fragte er und deutete auf ein Foto, das ihn, Dori und Zila, die Sekretärin der Redaktion, zeigte, wie sie auf dem Weg zu den Wasserrutschen die Arme umeinander legten.
    »Ja«, er nickte, und ihm fiel wieder ein, wie Dori ihnen einen Tag vor dem Ausflug nach Shefayim mitgeteilt hatte, dass jeder für sein Eintrittsgeld selbst aufkommen müsse, und wie er Staw angeschrien hatte, sie solle sich einen anderen Job suchen, nachdem sie meinte, das sei nicht in Ordnung, solche Tage müssten vom Arbeitgeber bezahlt werden. Keine zehn Pferde würden ihn zu dieser Zeitung zurückbringen, komme, was da wolle, dachte er, während er Nachum beobachtete. Was suchte er da, zum Teufel noch mal?
    Da stand Nachum auf und drehte sich zu ihm: »Ich muss mit Ihrem Boss reden.«
    Jetzt war er dran mit Schweigen. Er hatte diese Spielchen und diese Befehle gehörig satt. Zum Spießrutenlaufen hätte er auch bei der Lokalzeitung bleiben können.
    »Und?«, drängte ihn Nachum.
    »Vorher will ich wissen, wozu«, blieb er hartnäckig.
    Nachum gab ihm keine Antwort und ging aus dem Raum. Er lief ihm nach, was blieb ihm anderes übrig?
    Im Wohnzimmer drückte ihm Nachum sein Mobiltelefon in die Hand, das er auf dem Tisch liegen gelassen hatte. Er verstand schon: Er wollte ihn hinauswerfen. Er hatte eine Spur und wollte ihn nicht einweihen.
    »Sie rufen ihn jetzt an und überprüfen, ob er zu Hause ist«, wies Nachum ihn an.
    »Warum?«, versuchte er es wieder. Mit Dori zu reden war nun wirklich das Letzte, worauf er aus war, nachdem der schon den ganzen Tag versucht hatte ihn herumzukommandieren.
    »Rufen Sie an, ich erkläre es Ihnen schon noch«, antwortete Nachum ungehalten.
    »Muss das sein?«, stotterte er und erzählte ihm, wie Dori heute von ihm verlangt hatte, zum Gericht zu fahren und Galith Lavi zu interviewen.
    »Was hat das mit Galith Lavi zu tun?«, schnitt Nachum ihm das Wort ab.

61
    Galith war unglaublich wütend auf sich selbst. Wie hatte ihr dieser Satz über die Lippen kommen können? »Lass mich hier am Supermarkt raus, ich muss noch was einkaufen.« Assaf Rosen hatte gedacht, er höre nicht recht, und sie entgeistert angesehen. »Einkaufen? Jetzt?« las sie in seinen Augen.
    Wenn sie dazu imstande gewesen wäre, hätte sie ihm die Wahrheit erzählt. Doch es war der falsche Zeitpunkt. Sie musste sich verstellen, durfte die Maske nicht abstreifen. Gäbe es nicht diese unausgesprochenen Regeln, würde sie ihm gestehen, dass sie diese Augenblicke am Ende einer ersten Verabredung, die eintretende Stille in Panik versetzten. Ja, ausgerechnet sie, die Mörder und Vergewaltiger an der Anklagebank verhörte, machten solche Momente verlegen und sprachlos.
    Wenn es jemand wäre, der ihr nicht gefiele, wäre es ihr egal, doch diesmal war es anders. Sie mochte ihn. Sie war schon seit zehn Minuten völlig durch den Wind, hörte nur mit halbem Ohr zu, wie er von allen möglichen Dingen redete, zu denen sie nur nickte, hin und wieder lächelte, während sie in Gedanken bereits gelungene Abschiedssätze formulierte. Die beiden Minuten am Ende einer Verabredung waren die alles entscheidenden. Die behielten Männer in Erinnerung.
    * * *
    Vor zwei Tagen hatte er sie angerufen. Da er Ziv Nevo vertreten hatte, war sie sicher gewesen, dass er sich wegen des Gerüchts an sie wenden wollte, das blitzschnell unter Verteidigern, Anklägern und Richtern die Runde gemacht hatte: Ziv Nevo war unschuldig, Polizei und Staatsanwaltschaft hatten sich die ganze Zeit über geirrt.
    Doch nein. Obwohl er, so wie sie, bei seinen Auftritten vor Gericht und in den Verhandlungen nie um Worte verlegen war, hatte er ein wenig gestottert. Er habe sich schon lange den Kopf darüber zerbrochen, ob er ihr vorschlagen dürfe, mit ihm auszugehen, da sie beruflich miteinander zu tun hatten, und nun habe er die Nase voll davon, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Dafür gefiele sie ihm zu sehr, brach es schließlich aus ihm heraus, und sie hatte geschmunzelt.
    Sie wusste nicht so richtig, was sie erwartete. Sie hatten verabredet, dass er sie um neun abholen würde. Nachdem sie in sein Auto gestiegen war, hatte zunächst kurz Stille geherrscht, dann hatte er sie gefragt, ob sie nach wie vor jeden Tag zur Arbeit laufe.
    »Daran erinnerst du dich?« Sie freute sich. Er achtete also auf Kleinigkeiten. »Ja. Immer noch. Mein Bruder fährt in zwei,
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