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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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würde, der zwar die Sprache der Tsuranis mit dem merkwürdig nasalen Ton der Midkemier sprechen, aber trotz seiner Größe und Schlankheit nicht Kevin sein würde. Es machte keinen Unterschied, daß dieser Mann nicht das Grau eines Sklaven trug, sondern in schöne Seide und kostbaren Samt gekleidet war, ebensowenig wie die Wappen vom Königreich der Inseln an der Kleidung seiner Offiziere. Mara schaute weg; sie wollte nicht einmal durch unvollkommene Anspielungen an ihren persönlichen Verlust erinnert werden.
    Der Botschafter der Inseln und seine Begleiter erreichten das Geländer. Baron Michael von Krondor, der während der Vorbereitung dieses Gesandtenaustauschs häufig hierhergekommen war, wandte sich an den Hof. »Eure Majestät, es ist mir eine Ehre, Euch den Botschafter des Königreichs der Inseln vorzustellen –« Die abrupte Stille veranlaßte Mara aufzuschauen.
    Der Botschafter wollte gerade die eine Hand zum federbebuschten Hut führen und sich im Stil seines Heimatlandes verbeugen, als er mitten in der Bewegung erstarrte. Seine Hand verbarg das Gesicht. Die anwesenden Höflinge verhielten sich ebenfalls reglos, und ein paar näher stehende Kaiserliche Weiße bemühten sich, ihre Überraschung zu verbergen.
    Dann lüftete der barbarische Gesandte den Hut und verbeugte sich langsam, den Blick unverwandt auf Justin gerichtet. Ein Murmeln ging währenddessen durch den Saal. Mara blickte den Botschafter wieder an, und ihr Herz machte einen großen Sprung. Der Mann, der sie an ihre große verlorene Liebe erinnert hatte, setzte gerade den fremdländischen Hut mit dem weißen Federbusch und der goldenen Kante auf. Wieder wollten ihre Augen sie verraten, und so hielt sie rasch den Fächer vors Gesicht, damit in der Stadt nicht das Gerücht die Runde machte, daß die Kaiserliche Regentin aus einem nicht nachvollziehbaren Grund in Tränen ausgebrochen wäre. Mara hörte, wie Baron Michael die Vorstellung beendete: »… Botschafter seiner Königlichen Hoheit Lyam, König der Inseln.«
    »Ihr dürft näher treten«, erlaubte das Licht des Himmels, seine Stimme ganz Knabensopran. Mara hörte, wie die Kaiserlichen Weißen zur Seite traten und das Geländer öffneten, um den Botschafter herein-und auf das Podest heraufzulassen, wo er seine Empfehlungsschreiben vorlegen konnte.
    Der Midkemier betrat die erste Stufe. Sein Schritt hallte in einem Saal, in dem sich tiefes Schweigen ausgebreitet hatte. Vorsichtig schloß Mara den Fächer, als der Botschafter des Königreichs der Inseln die letzten Meter zwischen ihnen zurücklegte.
    Er hielt drei Schritte vor dem Thron an und verbeugte sich erneut. Dieses Mal setzte er den Hut nicht wieder auf, und als er sich aufrichtete, sah Mara sein Gesicht.
    Ein leiser Schrei entfuhr ihr. Das Profil des Mannes und das ihres Sohnes, der in seiner goldumrandeten Staatsrobe dasaß, glichen sich wie ein Ei dem anderen. Doch während die Gesichtszüge des Jungen noch glatt waren und erst seit kurzem den Beginn des Erwachsenenalters widerspiegelten, waren die des Mannes mit Falten überzogen, wie eine schöne Haut im Laufe der Jahre und nach zu viel Sonne naturgemäß altert. Das einst rote Haar war jetzt mit Weiß durchsetzt, und die Augen waren weit geöffnet und fassungslos.
    Die Herrin des Kaiserreiches begriff. Jetzt mußte sie sich dem stellen, was alle Lords bereits gesehen hatten – von dem Augenblick an, da der Botschafter in die Halle getreten war. Der Hut und das höhergelegte Podest waren es gewesen, ebenso wie die kurze Anwandlung von Feigheit, als sie sich hinter dem Fächer versteckt hatte, daß sie als letzte denjenigen erkannte, der mit einer Mischung aus Verzweiflung und Verblüffung vor ihr stand.
    »Kevin«, hauchte Mara tonlos.
    Arakasi trat in seiner Funktion als Kaiserlicher Erster Berater vor, um die Dokumente des Botschafters entgegenzunehmen.
    Mit einem ungewöhnlichen Grinsen meinte er: »Ihr habt Euch verändert.«
    Langsam dämmerte es Kevin, und ebenfalls lachend antwortete er: »Ihr auch. Ohne Verkleidung habe ich Euch gar nicht erkannt.«
    Ohne auch nur einen kurzen Blick auf die Dokumente zu werfen, wandte Arakasi sich um und sagte: »Eure Majestät, vor Euch steht der Botschafter des Königs der Inseln, Kevin, Baron des Königlichen Hofes.«
    Justin nickte und sagte: »Ihr seid willkommen.« Doch seine Stimme zeigte, daß auch er kurz davor war, die Haltung zu verlieren. Denn vor ihm stand sein leiblicher Vater, von dem er bisher nur gehört hatte.
    Maras
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