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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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Ich übergebe dir sein Leben, über das du nach Gutdünken verfügen kannst.«
    Die Lady in der roten Trauerkleidung rührte sich. Sie betrachtete die dünner werdenden Haare des Mannes, der vor ihren Füßen kauerte. Es dauerte einige Zeit, bis sie sprechen konnte. »Erhebt Euch, Chumaka.«
    Der Gefangene gehorchte; nichts von seiner Schlauheit schien mehr vorhanden zu sein. Er betrachtete die Lady, deren Entscheidung sein Schicksal besiegeln würde, und an der tiefen Reglosigkeit seiner Augen konnten alle im Raum sehen: Er konnte sich keinen Grund unter dem Himmel vorstellen, weshalb sie Gnade walten lassen sollte. »Wie Mylady wünscht«, murmelte er tonlos.
    Maras Blick bohrte sich in ihn. »Antwortet mir bei Eurer Ehre; schwört bei Eurem Geist, der an das Rad des Lebens gebunden werden wird, wenn diese Existenz beendet ist: Warum habt ihr es getan?«
    Sie erklärte nicht, für welche seiner Verbrechen er sich verantworten sollte. Möglicherweise war es zu schmerzhaft für sie, alle einzeln aufzuführen. Wahrscheinlicher jedoch war, daß die Ereignisse sie zu benommen machten, um darauf zu achten; oder sie war hinterlistig und überließ die Wahl Chumaka, damit sie anhand seiner Entscheidung tiefere Motive erahnen konnte.
    Chumakas schneller Intellekt raste. Er seufzte und überließ ihr den Sieg. So allgemein wie ihre Frage kam auch seine Antwort. Und zum ersten Mal in seinem langen und unaufrichtigen Leben sprach er nichts als die Wahrheit. »Zum Teil war es Dienst gegenüber meinem Herrn. Doch hauptsächlich Liebe zum Großen Spiel, Mylady. Darin habe ich nur mir selbst gedient, nicht Jiro und auch nicht Tecuma vor ihm. Ich war dem Haus der Anasati gegenüber immer loyal, ja, aber doch auch wieder nicht; ich tat, was mein Herr mir befahl, doch die Freude an politischen Manipulationen war immer meine eigene, private Angelegenheit. Ihr wart das Beste unter der Sonne, was die Götter uns geboten hatten, und Euch zu schlagen« – er zuckte mit den Achseln – »wäre der glorreichste Triumph in der Geschichte des Großen Spiels gewesen.«
    Arakasi holte tief Luft. Zu deutlich hatte er die Worte des Gegenspielers verstanden, dem es wie sonst niemandem beinahe gelungen wäre, ihn durch Täuschung und Verstand, Mord und Intrigen zu schlagen.
    »Das war meine Fehleinschätzung«, murmelte er, als wären er und Chumaka allein. »Ich nahm an, Ihr würdet für die Ehre Eures Herrn handeln. Dadurch habt Ihr mich beinahe gestellt: Eure Motive waren tief im Herzen immer Eure eigenen und Jiros Ehre nur zweitrangig.«
    Chumaka neigte den Kopf. »Zu gewinnen, ja, das war immer das Ziel. Die Ehre eines Herrn liegt im Sieg.« Dann wandte er sich wieder an Mara. »Niemand versteht dies besser als Ihr, Mistress. Denn der Gewinner entscheidet darüber, was Ehre ist und was nicht.« Er verfiel in Schweigen und erwartete die Verkündigung seines Urteils.
    Die Herrin des Kaiserreiches verschränkte angespannt die Hände in ihrem Schoß. Schließlich sprach sie nicht für sich allein. »Würdet Ihr dem Kaiserreich dienen, Chumaka?«
    Ein wildes Licht trat in die Augen des früheren Beraters der Anasati. »Mit Freuden, Mistress. Trotz der Schwüre von Ehrerbietung und Loyalität werden viele von denen, die heute beim Bankett Euren Wein trinken, schon morgen über Euren Sturz sinnieren. Dieses neue Kaiserreich vor dem Zusammensturz zu bewahren ist die größte Herausforderung, der sich ein Mensch stellen kann.«
    Maras Blick wanderte zu Arakasi. »Würdet Ihr diesem Mann Euer Netzwerk anvertrauen?«
    Der Supai der Acoma zog seine Augen zusammen und antwortete beinahe ohne zu zögern: »Ja. Er könnte meine Agenten sogar noch besser führen als ich. Durch seinen Stolz auf seine Arbeit wird er sie sicherer schützen können, als ich es je vermochte, selbst bevor ich den direkten Kontakt zu meiner Arbeit verlor.«
    Mara nickte. »Das dachte ich mir. Ihr hattet Euer Herz noch nicht gefunden. Das haben wir von Chumaka nicht zu befürchten. Er hat keins, es sei denn eins für seine Arbeit.«
    Sie sah Chumaka an. »Ihr werdet Eurem Kaiser als Supai den Eid schwören. Als Strafe für Eure vergangenen Verbrechen gegen das Kaiserreich und als Buße werdet Ihr Eurem neuen Licht des Himmels bis zum letzten Atemzug dienen. Lord Keda ist Zeuge.« Chumaka betrachtete die bemerkenswerte Lady, deren Herz groß genug war, ihm den größten Kummer in ihrem Leben zu vergeben. Als Ungläubigkeit langsam dämmernder Freude wich, verpaßte er die
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