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Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
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beurteilen zu können. Dieser hier würde sich in einer Krise bewähren, wenn in diesem Augenblick auch etwas Gehetztes an ihm war, das ihm etwas Abwesendes gab.
    Mara bemerkte den prüfenden Blick Lord Kedas. »Ich möchte Euch Arakasi vorstellen, ein sehr geschätztes Mitglied im Haushalt der Acoma, der unseren höchsten Respekt verdient.«
    Lord Kedas Interesse verschärfte sich. Dieser unbeschreibliche Mann mit seiner beinahe unmenschlichen Beobachtungsgabe: Konnte er der berühmte Supai sein, der die Acoma auf so wunderbare Weise mit Informationen versorgt hatte?
    Der Mann antwortete direkt, als besäße er die unheimliche Fähigkeit, die Gedanken Lord Kedas an seiner Mimik zu erkennen. »Ich habe meinen ehemaligen Posten aufgegeben«, gestand er. Seine Stimme klang so rauh, als würde Samt über einem Stein gerieben. »Früher war ich der Supai der Acoma. Doch ich habe entdeckt, daß es im Leben und in der Natur Geheimnisse gibt, die noch tiefgründiger sind als die von Menschen inszenierten Intrigen.«
    Lord Keda dachte über diese bemerkenswerte Aussage nach, fasziniert von dem Mann, der sie geäußert hatte.
    Doch der Kaiser, um den sie sich versammelt hatten, war noch zu jung für feinsinnige Nuancen. Er rutschte auf seinem goldumrandeten Kissen unruhig hin und her und klatschte nach seinem Läufer in die Hände. »Bring den Gefangenen herein.«
    Zwei Kaiserliche Weiße traten ein, in ihrer Mitte ein Mann mit abgekauten Nägeln und scharfem Blick. Lord Keda erkannte Chumaka, der dem verstorbenen Lord Jiro als Erster Berater gedient hatte. Der Kaiserliche Kanzler runzelte die Stirn; er wunderte sich, weshalb er zu dieser privaten Ratssitzung gerufen worden war, da er schließlich kein richterliches Amt bekleidete. Seine Aufgabe war eher die eines Verwalters oder Ausführenden; er besaß keine Vollmachten für einen Untersuchungsausschuß, der eine Anklage auf Verrat hätte besiegeln können.
    Denn ganz sicher hatte Lord Jiro hinter der Ermordung von Kaiser Ichindar gesteckt; die Omechan hatten die Belagerungsmaschinen übernommen, und Omechan-Armeen waren an Ort und Stelle gewesen, um den Plan der Anasati, den Thron an sich zu reißen, zu unterstützen. Chumaka mußte darin verwickelt gewesen sein; es war sehr wahrscheinlich, daß dieser tödliche Plan sogar aus seiner Feder stammte.
    Mara nahm Lord Keda das beklemmende Gefühl. »Ihr seid als Zeuge hergerufen worden«, erklärte sie ruhig, dann schaute sie geradeaus, als Chumaka dem Kaiser eine tiefe Verbeugung schenkte. Er verneigte sich auch ehrerbietig vor Mara und murmelte: »Große Lady, ich habe von Eurem Ruf gehört. Ich ergebe mich Eurer Gnade und bitte bescheiden um mein Leben.«
    Lord Keda zog die Stirn zusammen. Dieser Mann war Lord Jiros Berater gewesen; er hatte sicherlich Anteil an der Ermordung von Hokanus Vater gehabt, wie auch an der Vergiftung Maras.
    Daß Mara dies wußte, war deutlich in ihrem Gesicht zu lesen. Die ausdruckslose Linie um ihren Mund ließ einen unterschwelligen Schmerz ahnen: Hätte dieser Mann sich nicht eingemischt, hätte es nicht einen beinahe erfolgreichen Anschlag auf ihr Leben gegeben, könnte sie möglicherweise noch weitere Kinder bekommen. Der Ehemann, den sie fortschicken mußte, könnte noch an ihrer Seite sein.
    Chumaka behielt seine unterwürfige Haltung bei; die Hände zitterten leicht. Es war keine Arroganz in ihm; seine Erniedrigung schien echt zu sein.
    »Justin«, murmelte Mara mit heiserer Stimme.
    Der Junge warf seiner Mutter einen Blick zu, indem Rebellion verborgen lag.
    Mara riß sich zusammen, doch es war Arakasi, der den Jungen an ihrer Stelle unterstützte.
    »Majestät«, sagte er mit einer Stimme, die wie alter Rost knirschte, »es gibt Zeiten, in denen wir Groll hegen, und Zeiten, in denen wir Milde walten lassen sollten. Ich bitte Euch, entscheidet wie ein Mann, wie ein Kaiser. Urteilt weise. Dieser Mann, der sich Eurer Gnade zu Füßen wirft, ist der brillanteste Feind, den ich jemals gekannt habe. Ihr habt bereits jeden anderen Feind im Kaiserreich begnadigt, doch dieser hier muß davon ausgenommen werden. Laßt ihn hinrichten, verbannt ihn lebenslänglich oder laßt ihn Euch die Treue schwören und übertragt ihm eine Aufgabe. Er ist viel zu gefährlich, um im Kaiserreich frei herumzulaufen.«
    Justin wölbte die Brauen. Er dachte lange und angestrengt nach. »Ich kann das nicht entscheiden«, sagte er schließlich. »Mutter, dieser Mann ist für mehr Leid verantwortlich als jeder andere.
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