Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tag der Entscheidung

Tag der Entscheidung

Titel: Tag der Entscheidung
Autoren: Raymond E. Feist
Vom Netzwerk:
steifem Protokoll hatte er ebenfalls von seinem barbarischen Vater geerbt. Seit kurzer Zeit ahmten ihn einige der jüngeren Edlen – sehr zum Unbehagen der älteren Herrscher – nach und offenbarten ihre Vorliebe für lebhafte Mimik und lockere Redeweise – möglicherweise würde diese beliebte Mode ja eine Faszination auf unverheiratete Frauen ausüben. Justin gab seiner Mutter einen schelmischen und höchst unkaiserlichen Stoß in die Rippen. »Mutter, du mußt doch ein paar Worte für diese Situation bereit haben.«
    Mara hatte keine. Sie konnte nur eine lange Minute auf den stolzen Vater hinablächeln, den Tränen nahe. Die Babys waren wunderschön, perfekt; wenn es ihr schon nicht vergönnt gewesen war, seine Erben auszutragen, dankte sie den Göttern dafür, daß die stille Elumani ihrem Ehemann mit ihrer Fruchtbarkeit seinen innigsten Wunsch erfüllt hatte. »Söhne?« brachte Mara schließlich leise hervor.
    Hokanu nickte, sprachlos. In seinen Augen stand die gleiche Freude, dasselbe schmerzhafte Bedauern. Er vermißte Maras schnellen Verstand, ihre angenehme Gesellschaft. Elumani war ein sanftes und liebes Mädchen, doch er hatte sie nicht wegen ihres scharfen Geistes ausgewählt. Dafür hatte sie ihm gegeben, was Mara nicht gekonnt hatte, und das Haus der Shinzawai besaß jetzt zwei Erben zur Weiterführung seiner Blutslinie. Hokanu hatte seine Jungen; sie würden aufwachsen und ihm die Gesellschaft ersetzen, die er verloren hatte.
    Der kaiserliche Herold räusperte sich. »Lord Hokanu von den Shinzawai präsentiert dem Licht des Himmels seine Erben Kamatsu und Maro.«
    Justin formulierte die formellen Worte, mit denen er die Kinder anerkannte. »Mögen sie mit dem Segen der Götter aufwachsen und gedeihen, voller Freude und Stärke.«
    Mara fand ihre Sprache wieder. »Ich freue mich für euch beide. Lady Elumani, ich bin sehr geschmeichelt und stolz.« Sie hielt inne, tief berührt von dem unerwarteten Geschenk, das ihr mit einem Namensvetter in Hokanus Geschlecht beschert wurde. Sie mußte sich zusammenreißen, um nicht zu weinen, als sie fortfuhr: »Ich würde mich freuen, wenn ihr mit euren Söhnen zur kaiserlichen Kinderstätte kommt, sobald sie alt genug sind. Dann können sie ihre Halbschwester Kasuma kennenlernen.«
    Die kleine junge Frau mit den rotbraunen Haaren neben Hokanu verbeugte sich anmutig. Ihre Wangen erröteten bei diesem kaiserlichen Angebot. »Ich fühle mich zutiefst geehrt«, sagte sie mit einer Stimme, die so sanft klang wie die eines Singvogels. »Die Herrin des Kaiserreiches ist zu gütig.«
    Viel zu schnell verbeugte sich die Gruppe der Shinzawai zum Abschied noch einmal vor dem Kaiser. Wehmütig blickte Mara der Gestalt in der blauen Rüstung nach, die mit der ganzen Anmut eines Kriegers hinausging, genauso vertraut, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Dann wurde sie von ihren Gefühlen überwältigt. Mit einem kurzen Klicken öffnete sie ihren Fächer und hielt ihn vor das Gesicht, um ihre plötzlichen Tränen zu verbergen. Söhne für die Shinzawai. Sie waren jetzt ein erfüllter Wunsch, nicht mehr nur ein Traum für die Zukunft des Kaiserreiches. Zwillinge! Mara schüttelte verwundert den Kopf. Es schien, als würden sich die Götter in ihrer Großzügigkeit selbst übertreffen, als Ausgleich für ihr eigenes armes Kind, das noch vor der Geburt sterben mußte.
    Dies war die Belohnung für ihre jetzige Einsamkeit. Hokanu zu sehen, Zeit mit ihm zu verbringen, das war nicht mehr möglich, und sie vermißte ihn. Doch es würde eine Zeit kommen, da sie sich ohne Schmerz besuchen konnten, weil tiefe Freundschaft das Wesen ihrer Ehe geprägt hatte.
    Wieder erklang der Gong. Die Stimme des kaiserlichen Herolds ertönte und verkündete das Erscheinen des gerade eingetroffenen Botschafters aus dem Königreich der Inseln von der Welt Midkemia.
    Mara warf einen verstohlenen Blick auf die sich nähernde Gruppe, dann hob sie hastig wieder den Fächer, als ihr Herz sich erneut zusammenzog.
    Niemals konnte sie Menschen in der Kleidung der anderen Welt begegnen, ohne an den barbarischen Geliebten zu denken, der ihr Leben so dramatisch verändert hatte. Drei von ihnen waren schlank und groß, und einer schien sogar ganz leicht zu hinken. Dieser leichte Gehfehler setzte sofort alte Erinnerungen in Gang.
    Sie rief sich zur Ordnung. Heute hatte sie sich schon zu oft rührselige Gedanken gestattet. Sie riß sich zusammen und bereitete sich auf den Gruß eines Mannes vor, der ein Fremder sein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher