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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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dem Weg zur Kundschaft. Der Kriminaloberwachtmeister schaute sich kurz um, um sich dann möglichst weit weg, ans andere Ende des Raumes, zu setzen. Die Aktentasche legte er neben sich auf die Bank, den Hut nahm er ab.
    Den Lehrgang in München, den hätten sie sich auch schenken können, ging es ihm durch den Kopf, während er den Hut ausschüttelte. Jetzt musste er wegen dem Schmarren bei dem Sauwetter raus. Brachte doch eh nichts, und hier blieb die Arbeit liegen.
    An einem Besuch in München war an und für sich nichts auszusetzen, aber wenn, dann privat. Er sollte wieder einmal mit der Erna runterfahren. Am Hochzeitstag vielleicht? Und dann in ein Konzert oder ins Theater. Wie früher. Wenn er sich recht besann, hatte der Kollege Wurzer doch Verbindungen. Ein Cousin oder Schwager arbeitete am Theater. Eventuell war es so möglich, an günstige Karten zu kommen? Er wollte den Wurzer fragen, wenn er wieder aus München zurück war. Die Erna würde sich arg freuen, da war Huther sich sicher, dann kam sie auch wieder einmal raus. Und die Kinder? Da würde sich schon was finden lassen.
    Nach und nach kamen weitere Wartende herein und verteilten sich auf die Bänke im Saal. Er machte sich nicht die Mühe, sie genauer anzusehen. Den älteren Herrn im hellen Stutzer bemerkte er nur, weil dieser direkt auf ihn zukam. Der Mann stellte seine Aktentasche auf die Wartebank, lehnte den mitgebrachten Schirm daneben und schälte sich umständlich aus seinem Sommermantel. Der Fremde stieß gegen den Schirm, dieser fiel um und direkt vor Huthers Füße. Huther beugte sich nach vorn und hob ihn auf.
    »Bittschön, der ist umgefallen.«
    »Recht schönen Dank. Ein Sauwetter ist das.«
    Der Herr nahm den Schirm, spannte ihn auf und stellte ihn neben die Bank zum Abtropfen auf den Boden. »Jetzt haben wir Anfang August, und vom Sommer ist immer noch nichts zu sehen. Das können wir heuer wohl vergessen. Bisher hat das ganze Jahr schon nichts Rechtes getaugt. Erst hat es ewig gedauert, bis der Schnee weg ist, dann die schlimmen Hochwasser im Frühjahr und jetzt ein Sauwetter. Hoffentlich bekommen wir wenigstens einen gescheiten Herbst.«
    Der Mann setzte sich genauso umständlich, wie er sich vorher seines Mantels entledigt hatte.
    »Entschuldigung, jetzt habe ich gar nicht gefragt, ob hier noch frei ist.«
    »Sie können sich ruhig setzen, hier ist genügend Platz für uns zwei.«
    Huther rutschte ein wenig zur Seite.
    »Warten Sie auch auf den Zug nach München?«
    »Ja.«
    Huther verspürte wenig Lust, sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen, was seinen Banknachbarn jedoch nicht davon abhielt, weiterzufragen.
    »Geschäftlich oder privat? Lassen Sie mich raten. Ich denke, geschäftlich. Wegen der Aktentasche. Hab ich recht?«
    »Sie haben recht«, antwortete Huther kurz.
    Er sah den Mann an. Der kam ihm bekannt vor, er wusste aber nicht, woher. Um nicht unhöflich zu erscheinen, fügte Huther hinzu: »Ich muss zu einem Lehrgang.«
    »So was hab ich mir schon gedacht. Ich schau mir die Leute am Bahnhof immer gern an und überleg mir, was sie wohl machen oder wohin sie unterwegs sind. Ich muss öfters nach München, auch dienstlich.«
    Der Unbekannte holte eine Tageszeitung aus der Aktentasche.
    »Wollen Sie ein Stück? Es ist zwar die von gestern, aber es kann dauern mit der Verspätung heute. Wie mir der Eisenbahnassistent gesagt hat, hat sich wieder so ein armer Teufel vor den Zug geworfen.«
    Ein Selbstmörder, da wird sich der Kollege Wurzer freuen, wenn er bei dem Wetter rausmuss, ging es Huther durch den Kopf, so ein Lehrgang hatte doch auch sein Gutes.
    Hinter der Zeitung sprach sein Banknachbar einfach weiter: »Das passiert mir jetzt schon zum zweiten Mal in dem Jahr. Immer wenn ich dringend nach München will und eigentlich überhaupt keine Zeit habe. Aber wundern tut mich das nicht – bei der wirtschaftlichen Misere, da bleibt so manchem armen Schlucker nichts anderes übrig, als sich vor den Zug zu werfen.«
    »Da haben Sie leider nicht unrecht.«
    Der Mann begann mit der Lektüre der Tageszeitung, Huther lehnte sich zurück, das Gespräch schien beendet.
    »Schauen Sie sich das an!«, unvermittelt hielt er Huther die Zeitung unter die Nase und tippte mit dem Finger auf einen Artikel: »Viertes Todesurteil in zwei Jahren vollzogen. Damit liegt Landshut an der Spitze in der ganzen Republik. Man kann es nicht glauben, aber nirgends wird so oft hingerichtet wie hier in unserem beschaulichen Landshut.«
    Abrupt legte der
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