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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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gehofft, dass mein Mandant der Todesstrafe entgeht und dafür ein Lebenslänglich erhält. Darauf habe ich hingearbeitet, es ist zwar auch keine schöne Aussicht, aber es war das Einzige, was ich noch für ihn tun konnte.«
    Dr. Klar rückte ein wenig an Huther heran.
    »Am Tag der Urteilsverkündung hat er plötzlich zu reden angefangen, nachdem er zuvor fast nichts gesagt hat, wie Sie vielleicht wissen.«
    Johann Huther nickte. »Ich hab davon gehört, war aber damit nicht mehr befasst.«
    »Die Untersuchungen wurden von der Staatsanwaltschaft auch nicht weiter aufgenommen. Herr Huther, ich will und kann nicht sagen, inwieweit den Geständnissen des Täuscher nach seiner Verurteilung Glauben geschenkt werden darf. Nur eines kann ich sagen, alle seine Angaben, die er letztlich nach der Verkündung des Urteils gemacht hat, hielten zumindest, soweit überprüfbar, stand.«
    »Aber warum die Lügerei vor Gericht?«
    »Diese Frage habe ich mir auch oft gestellt, ich habe keine Antwort. Vielleicht bestand der naive Glaube, ist kein Zeuge der Tat vorhanden, kann uns die Tat nicht nachgewiesen werden. Vielleicht hatte er Angst, ob begründet oder nicht. Das hat er zum Schluss immer wieder gesagt, aber so spät, dass ich nicht mehr viel damit tun konnte. Und wer weiß – er ist ein Phantast, da können Sie nicht mit logischem Verhalten argumentieren. Einbildung und Wahrheit verschwimmen da oft. Eines ist klar, er hatte offenbar mit einem Freispruch gerechnet. Unglaublich. Dabei war im Vorverfahren und in der Hauptverhandlung absehbar, dass es zu einer Verurteilung, wenn auch nicht zu einem Urteil von dieser Härte kommen muss.
    Verstehen Sie mich nicht falsch, ich glaube nicht, dass er ein Unschuldslamm ist, er wollte stehlen oder rauben. Aber wäre er der alleinige Hauptverantwortliche, wozu hätte er dann den Schinder überhaupt gebraucht? Zum Veräußern des Schmucks wohl kaum. Und warum waren die beiden dann den ganzen Tag zusammen, und ausgerechnet, als die Frauen ermordet wurden, war Täuscher allein? Das ist unglaubwürdig.«
    »Ich gebe Ihnen recht, die Sache ist in keiner Weise lückenlos aufgeklärt, aber das sage ich nicht als Polizist. Es sind einfach zu viele Fragen offengeblieben, und keiner wollte es genau wissen. Ich hatte ein Daktylogramm erstellen lassen wollen, wegen der Fingerabdrücke in der Wohnung. Da hätten wir doch Beweise gehabt, ganz eindeutige. Aber es wurde abgelehnt, keiner wollte Geld ausgeben für so einen ›neumodischen Humbug‹. Es war immer wieder die Rede von einem großen Unbekannten. Dem verheirateten Geliebten der Clara Ganslmeier. Wir haben nichts gefunden, was dafürspricht, aber auch nichts dagegen. Mir ist immer noch ein Rätsel, warum es die Clara damals so eilig hatte in der Metzgerei, der Hubert sollte doch erst später kommen. Und warum macht sie die Sportgymnastik aus, wenn sie doch, wie es aussieht, Besuch bekommt? Wir haben nichts gefunden, Herr Dr. Klar, und der Täuscher hat es uns nicht gerade leicht gemacht mit seiner Lügerei. Reingeritten hat er sich immer mehr.«
    »Natürlich hat er sich durch sein Verhalten und seine Lügen immer mehr selbst belastet. Dass er sich so sein eigenes Grab geschaufelt hat, war ihm nicht klarzumachen, zu keinem Zeitpunkt der Verhandlung. Und als es ihm schließlich dämmerte, da war es zu spät. Und ich versuche nun zu retten, was zu retten ist. Weitere Untersuchungen, noch ehe das Urteil rechtskräftig wurde, wurden von der Staatsanwaltschaft abgelehnt. Es wären keine verfolgungswürdigen Hinweise und Zeugenaussagen vorhanden. Vor dem Volksgericht ist das Einlegen aller Rechtsmittel untersagt, mir bleibt als letzter Weg nur das Bitten um Gnade.«
    »Meine Herrschaften, der Zug fährt gleich ein, bitte gehen Sie hinaus auf den Bahnsteig.«
    Der Eisenbahnassistent stand in der Tür zum Wartesaal.
    »Alles, was ich noch tun kann, ist hoffen, dem armen Phantasten wird Gnade zuteil. Aber wissen Sie, was mir keine Ruhe lässt in diesem Fall, mein lieber Herr Huther? Hier hat ein jeder jeden belogen, und ein jeder ist getäuscht worden. Die Clara, der Hubert, alle, und – was mich am meisten trifft – am Ende sogar die Gerechtigkeit.«
    Der Justizrat stand auf, Huther half ihm in den Mantel.
    »Dankschön, Herr Huther. Vielleicht sehen wir uns einmal wieder. Auf alle Fälle wünsche ich Ihnen einen schönen Lehrgang in München.«
    »Auch ich wünsch Ihnen eine gute Fahrt und von ganzem Herzen, dass Sie Erfolg haben mit Ihrem
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