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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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soll.‹ Zum Staatsanwalt hat er gesagt: ›Herr Dr. Fersch, da können Sie sehen, was für ein schlechter Mensch das ist.‹ Und zum Täuscher: ›Warum hätte ich dich bedrohen sollen? Und wann?‹
    Daraufhin hat der Täuscher erzählt, der Schinder hätte ihn mehrfach mit dem Tode bedroht, wenn er auch nur ein Sterbenswörtchen sagt. Selbst noch während der Verhandlung hätte er Möglichkeiten und Wege gefunden, ihm zu drohen. Wenn er, Täuscher, was sagen würde, wär er seines Lebens nicht mehr sicher. Er, Schinder, hätte überall seine Verbindungen, und selbst im Zuchthaus wären ihm noch ein paar einen Gefallen schuldig.«
    »Was hat der Schinder darauf gesagt?«
    »Der hat geschrien: ›Du Schwein, was lügst du so?‹, und zum Dr. Fersch: ›Sehen Sie, wie der Täuscher lügt?‹
    Der Luck war so aufgebracht, dass ich ihn auf dem Stuhl festhalten musste.
    Es ist dann noch eine Zeit hin und her gegangen, die beiden haben sich beschimpft wie die Kesselflicker, bis es dem Dr. Fersch zu viel geworden ist und er die Vernehmung abgebrochen hat.«
    »Weiter haben sie nichts gesagt?«
    »Nein. Keine Namen, nichts. Ich glaub aber, der Luck war so schlau und hat dem Täuscher auch nie was erzählt, was der später hätte verwenden können.«
    »Das ist gut, und was passiert jetzt? Hat der Fersch noch was gesagt?« Der andere spielte mit seinem Zigarettenetui.
    »Was soll schon passieren?« Franz Rauber zuckte mit der Schulter.
    »Da steht Aussage gegen Aussage, und solang nichts Neues aufkommt, bleibt alles, wie es war. Bis jetzt hat sich keiner gemeldet, und der restliche Schmuck ist auch bei keinem anderen aufgetaucht. Und was am wichtigsten ist, der Dr. Fersch, der glaubt dem Täuscher sowieso nichts. Aber er will sich halt nichts nachsagen lassen, er muss der Sache nachgehen, so ist das nun mal.«
    »Versteh schon.«
    »Der Täuscher hat geglaubt, er hätte noch einen Trumpf im Ärmel. Er hat gesagt, der Luck hätte sich bei der Tat an der Hand verletzt, und wie ihn der Fersch gefragt hat, an welcher, hat der Täuscher erst nach langem Zögern gesagt: ›An der Linken.‹ Aber an der war nichts, nicht einmal das kleinste Kratzerl, und auch in den Untersuchungsunterlagen war nie die Rede davon. Und die blutverschmierte Jacke vom Luck, von der der Täuscher geredet hat, hat sich auch nirgends gefunden, so blöd ist der Luck ja nicht, dass er die rumhängen lässt. Also war auch
die
Sache vom Tisch. Kurz vor Dienstschluss ist dann das Gerücht umgegangen, es gäbe keinen Bedarf mehr zum Ermitteln. Also, passt doch, oder?«
    »Woher hast das? Kann man sich darauf verlassen?«
    »Von ganz oben, da ist Verlass drauf.«
    »Nicht schlecht.« Der Fremde rieb sich am Kinn.
    Rauber hob sein Glas und prostete ihm zu: »Prost! Was hast vor in nächster Zeit?«
    »Ich denke, ich werde ein bisschen verreisen. Luftveränderung tut immer gut.«
    Rauber trinkt sein Glas in einem Zug leer. »Ah, das tut gut. Ich sollt jetzt aber heim. Wo ist der Ober? Ich muss noch zahlen.«
    »Lass gut sein, bist mein Gast.«
    »Vergelt’s Gott und mach’s besser.« Rauber stand auf und ging, der Fremde öffnete das silberne Zigarettenetui. Für einen kurzen Augenblick wurden die in den Deckel eingravierten Buchstaben » RB « sichtbar. Er nahm eine der Zigaretten heraus und klopfte mit dem Filter kurz gegen das Etui. Dann legte er es auf den Tisch und zündete sich die Zigarette an.

Dienstag, 8 . August 1922 ,
Landshut, Bahnhof,
Kriminaloberwachtmeister Johann Huther,
6 . 15  Uhr morgens
    »Sie werden ganz nass hier heraußen im Regen. Gehen S’ besser rein in den Warteraum. Ich hol Sie rechtzeitig, wenn der Zug kommt.« Der Eisenbahnbedienstete wies mit der Hand Richtung Bahnhofsgebäude. Johann Huther schnaufte kurz und zog seine Taschenuhr aus der Jacketttasche.
    »Wie viel, sagten Sie, hat der Zug Verspätung? Eine halbe Stunde?«
    »Mindestens. Es gab einen Zwischenfall, mehr weiß ich nicht. Bis die Strecke wieder freigegeben wird, kann es eine Weile dauern.«
    »Aber dass Sie mich nicht vergessen.«
    »Nein, nein, da brauchen S’ keine Angst haben. Ich komm fünf Minuten vor Einfahrt des Zuges rein. Außer Ihnen warten noch andere Leute drinnen, die wollen auch wissen, wann es weitergeht.«
    Huther ließ die Uhr wieder in die Tasche gleiten und ging hinüber in den Wartesaal.
    Neben der Tür im Wartesaal saßen zwei Frauen. Auf dem Boden vor sich hatten sie Weidenkörbe und anderen Behältnisse ausgebreitet. Hausiererinnen auf
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