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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Mann die Zeitung zur Seite. »Die mag ich jetzt auch nicht mehr lesen. Darf ich mich vorstellen? Justizrat Dr. Klar.«
    »Johann Huther. Kriminaloberwachtmeister Huther.«
    »Huther? Sie müssen entschuldigen, ich bin sonst nicht so aufdringlich, aber Sie kommen mir schon die ganze Zeit so bekannt vor. Ich weiß nur nicht, wo ich Sie hintun soll. Huther, sagen Sie? Lassen Sie mich nachdenken. Jetzt weiß ich, woher ich Sie kenne, Sie waren an der Untersuchung gegen einen meiner Mandanten beteiligt. Hubert Täuscher. Stimmt’s, oder irre ich mich jetzt?«
    »Sie liegen nicht falsch. Meine Kollegen und ich, wir waren an der Untersuchung beteiligt.«
    »Lässt mein Gedächtnis mich doch nicht im Stich. In meinem Alter kommt man deshalb manchmal ins Grübeln, aber dieses Problem haben Sie noch nicht. Sie sind noch jung.«
    »So jung auch wieder nicht.«
    »Das mit dem Täuscher ist so eine Sache. Wissen S’, Herr Huther, Ende des Jahres will ich in den Ruhestand. Ich mach das Geschäft jetzt schon fast zu lange. Und wenn man einem Mandanten nicht helfen kann, auch zu einem guten Teil, weil der sich nicht helfen lassen will, wie der junge Täuscher, dann schmerzt das. Das lässt einen nicht los. Aber ich geh Ihnen jetzt bestimmt auf die Nerven mit meinem Gerede. Sie müssen entschuldigen.«
    »Ist schon gut. Ich kann Sie verstehen. Wir bearbeiten auch nicht alle Tage ein Verbrechen wie dieses, und selbst wenn, wird nicht jedes Mal gleich die Todesstrafe verhängt.«
    »Und wiedergutmachen tut so eine Todesstrafe schließlich auch nichts. Egal, wie genau die Untersuchungen verlaufen sind, solange kein eindeutiges Eingeständnis der Tat vorliegt, bleibt am Ende immer noch die Frage, ob es auch wirklich den Richtigen erwischt hat. Hat man ein Leben erst genommen, kann man es nicht mehr rückgängig machen. Dies gilt für beide, Opfer und Täter.«
    »Darf ich Sie was fragen, Herr Doktor Klar? Eigentlich hab ich fest damit gerechnet, dass das Urteil in eine lebenslängliche Haftstrafe umgewandelt wird. Der Tatablauf hat sich doch bis jetzt nicht ganz klären lassen. Ist kein Gnadengesuch eingereicht worden?«
    »Nicht ein Mal, was sage ich, drei Mal hab ich es versucht. Heute will ich es noch einmal persönlich versuchen. Darum bin ich auf dem Weg nach München. Das Problem bei diesem Fall war, mein Mandant hat sich von Anfang an mit seinem Verhalten verdächtig gemacht. Und wie das so ist in solchen Fällen, dann sucht man gerne nur noch nach Dingen, die den Verdacht stützen, und nicht nach denen, die die Theorie ins Wanken bringen könnten. Ich will niemanden leichtfertig beschuldigen, aber sind wir nicht alle so, gehen wir nicht alle lieber den einfacheren, den bequemeren Weg? Wie war es mit Ihnen? Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, Herr Huther, oder mich in Ihre Arbeit einmischen, aber waren Sie bereit, in eine andere Richtung zu denken? Ich jedenfalls, ich muss mich an der eigenen Nase packen. Der Täuscher hat es einem nicht leicht gemacht, auch ich war lange von seiner Schuld überzeugt, auch wenn ich es als sein Anwalt so nicht hätte sein dürfen. Ich habe Fehler gemacht.«
    »Ich sage jetzt dazu nichts, Herr Dr. Klar, denn meine Meinung als Privatperson zählt nicht, und als Kriminalbeamter ist der Fall für mich abgeschlossen, wenn es der Staatsanwalt sagt.«
    »Herr Huther, das kann ich gut verstehen. Die Sachverständigen vor Gericht haben Hubert Täuscher einen kranken und sozial minderwertigen Menschen genannt, aber ein kranker Mensch kann nicht voll und ganz für sein Tun verantwortlich gemacht werden, mein lieber Huther, das wissen Sie so gut wie ich.
    Überall dort, wo die Freiheit des Willens eingeschränkt ist, muss eine mildere Beurteilung auch der grässlichsten Tat eintreten. Das Individuum ist ein Sklave seiner Verhältnisse, seiner organischen Anlage, Erziehung, der äußeren Verhältnisse der Lebensschicksale.
    Ein Fehlen aller ethischen Motive ist gleichbedeutend mit einem pathologischen Geisteszustand. Wissen Sie, da brauchen wir uns gar nichts vorzumachen, mit Sicherheit mangelt es dem Täuscher an Überlegungsfähigkeit und auch an sittlicher Widerstandsfähigkeit, sonst hätte es die Liebschaften nebeneinander doch gar nicht gegeben. Er ist kein Mensch, der Verantwortung tragen kann oder will, sonst wär er im Krieg nicht davongelaufen und hätt die Sache mit der Unterschlagung nicht eingefädelt, aber ihn darum hinrichten? Würde lebenslang nicht genügen? Ich habe bis zum Schluss
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