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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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Wangen. Sie küsste ihn nahe am Ohr und flüsterte leise: »Aber auch mein ganzes Leben mit dir hätte nicht gereicht.«
    Mit schmerzverzerrtem Gesicht hob er seine Hand und legte sie auf Hesters Rücken. »Ich glaube ...«, begann er. Er konnte kaum sprechen.
    »Nicht«, sagte sie.
    » ... ich habe deinen Fluch gelöst«, sprach er den Satz zu Ende.
    Hester schmiegte ihr Gesicht in seine Halsbeuge. »Es spielt keine Rolle.«
    »Das heißt ...« Er holte Luft und Hester hörte ein schreckliches Rasseln in seiner Brust. »Du hast deinen Fluch gelöst. In diesem Moment.«
    Hester legte ihren Finger auf seine Lippen, aber er schüttelte den Kopf und sie nahm ihre Hand weg.
    »Das Offensichtlichste hatte ich übersehen: Du hast ihre Seele. Aber um eine Seele haben zu können, muss sie ...« Er konnte nicht weitersprechen und stöhnte vor Schmerz.
    Hester schmiegte sich noch immer eng an ihn. Bald war er tot, und alle Freude ihres Lebens starb mit ihm. Sie würde ihr einsames Dasein fortsetzen und nach ihm nie mehr wieder einen Mann lieben.
    » ... ein Kind bekommen haben«, endete er.
    Er schwieg. Den Kopf an seine Brust gelehnt, hörte Hester, dass seine Atmung unregelmäßig geworden war. Ein qualvoller Moment entstand, als er keine Luft mehr holte, gefolgt von einem tiefen, gurgelnden Keuchen.
    Was hatte Ezra gesagt? Sie muss ein Kind bekommen haben . Syrenka hatte ein Kind gehabt! Hester hob den Kopf und sah ihn an. Seine Augen waren geschlossen.
    »Was heißt das, Ezra? Warum ist es wichtig, dass sie ein Baby hatte?«
    Er schlug die Augen auf und sah Hester mit solch schmerzlicher Liebe an, dass sie die Sehnsucht nach dem, was sie niemals miteinander würden haben können, geradezu durchbohrte.
    Seine Hand zog sie ein letztes Mal an sich. »In jener Nacht hat die kleine Adeline ein Baby auf dem Arm gehabt.« Seine Stimme war kaum noch zu hören. »Eleanors Baby. Syrenkas Kind.« Sein Arm wurde schwach und glitt an Hesters Rücken herab.
    »Marijn!«, rief Hester aus. »Marijn war Syrenkas Tochter!«
    Ezra schloss die Augen und nickte kaum merklich. Ein Ausdruck von Befriedigung lag auf seinem Gesicht. Er vertraute darauf, dass sie den Rest selbst herausfand.
    Hesters Geist arbeitete fieberhaft. Ihre Urururgroßmutter Marijn war der Säugling, den man nach der tragischen Nacht auf dem Friedhof gefunden hatte. Es war also Marijns Seele, die Syrenka verwendet hatte, um Ezras Gefühle an die Erde zu fesseln – wobei sie sich mit Linnies Gefühlen und denen von Pastor McKee und von Eleanor gekreuzt und verwoben hatten. Aber obwohl sie doch ihre Seele verloren hatte, war Marijn in jener Nacht nicht gestorben und hatte selbst später eine Tochter bekommen.
    Und dann fiel Hester wieder ein, was Needa gesagt hatte: Es wäre eine Gnade gewesen, wenn Noo´kas Syrenka die Hilfe zur Fesselung dieser Geister versagt hätte, im Wissen darum, was sie entdecken würde, »sobald die Tat vollbracht war«.
    »Bis zu dem Moment, nachdem sie sie geopfert hatte, hat Syrenka nicht gewusst, dass Marijn ihr Kind war. Darum gab sie dem Kind, um es zu retten, ihre eigene Seele«, rief Hester aus. Sie richtete sich ein wenig auf, um Ezra ansehen zu können. »War es so, Ezra?«
    Seine Augen waren geschlossen, seine Züge entspannt. Er schien zufrieden zu sein. Vielleicht sogar glücklich. Er stieß einen langen, zischenden Atemzug aus. Dann rührte er sich nicht mehr.
    »Ezra«, flüsterte Hester.
    Die Narbe entlang seines Oberkörpers begann sich an den Rändern zu öffnen. Vor Hesters Augen platzte die Wunde auf und gab den Blick auf einen gebrochenen Brustkorb frei. Langsambogen sich die Rippen auf, und zwischen den geborstenen Knochen war zu erkennen, dass das Herz fehlte.
    Nun öffnete sich der Himmel, und der Regen floss geradezu sintflutartig herab – genau wie an dem Tag, als Hester Ezra zum ersten Mal in der Höhle begegnet war. Noch einmal rauschte eine Welle über sie. Das Journal wurde Ezra aus der Hand gerissen und ins Meer gespült. Hester ließ es geschehen. Sie beugte sich tief zu Ezra hinab und lehnte laut schluchzend ihre Wange an seine.
    »Ich danke dir«, flüsterte sie. »Ich danke dir, dass du es herausgefunden hast.«
    Und dann ging ihr auf, welches Puzzle er in seinen letzten Augenblicken zusammengefügt hatte. Hester wurde klar, welche Last die gestohlene Seele des Babys bedeutete und warum der Fluch in ihrer Familie von Generation zu Generation weitergegeben worden war. Sie erkannte, welches Opfer Syrenka – und
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