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syrenka

syrenka

Titel: syrenka
Autoren: Elizabeth Fama
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sich an das Verlustgefühl, das sie durchzuckt hatte, als sie sie berührt hatte. Ihm diese Verletzung erneut zufügen zu müssen, war unerträglich grausam. Wie lange würde er noch zu leben haben, wenn die Wunde erst wieder offen war? Welche Schmerzen würde er ertragen müssen? Ob sein Geist mit derselben Heftigkeit reagieren würde wie der von Linnie?
    Als sie ihren Fuß auf die unterste Stufe setzte, war sie entschlossen, sich nicht abschrecken zu lassen, wenn er herumwütete. Es war eine nachvollziehbare Reaktion, und Hester blieb nichts anderes übrig, als sich darauf einzustellen. Sie hatte keine Angst mehr vor dem Tod. Ihre einzige Sorge war der Schmerz, den es Malcolm, Nancy, Sam und Peter bereiten würde, wenn sie starb.
    Selbst im Inneren der Krypta war das Heulen des Sturmes zu hören. Hester wurde klar, dass es Noo´kas war. Offenbar hatte die Hexe mitbekommen, dass Hester bereits zwei Drittel ihrer grausigen Aufgabe erledigt hatte und sich nun Ezra zuwandte.
    Hester überlegte, ob der Sturm so stark werden würde, dass er sie von Ezras Erlösung abhielt. Sie besaß nur geringe physische Kräfte und angesichts von Ezras bevorstehendem Verlust fühlte Hester sich so schwach wie nie zuvor.
    Als sie sich bückte, um ihren Rucksack hochzuheben, nahm Hester aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Und noch bevor sie irgendetwas tun konnte, wurde sie zu Boden gestoßen und eine vor Zorn rasende Frau umklammerte sie und schlug auf sie ein.

Hester versuchte, sich wegzurollen, aber die Frau saß rittlings auf ihr. Sie war nicht nur stark, sie war auch korpulent, und Hester war rettungslos gefangen.
    »Aufhören! Bitte!«, brüllte Hester, nachdem die Frau ihr mit dem Handrücken ins Gesicht geschlagen hatte.
    »Du widerliches Meeresungeheuer!«, schrie die Frau. Sie zog Hester an den Schultern in die Höhe und schüttelte sie. »Wie lange habe ich warten müssen, um Olaf zu rächen!«
    »Ich bin kein Meeresungeheuer!«, protestierte Hester und merkte im selben Moment, dass sie genauso verrückt klang wie ihre Angreiferin.
    Die Frau schob ihr Gesicht sehr nah an das von Hester heran. »Mit dem Begriff ›Meerjungfrau‹ werde ich dich nicht ehren«, giftete sie, Speichel versprühend. »Du bist keine Jungfrau. Du bist eine Hure!« Sie zeigte auf Pastor McKees leblosen Körper. »Mit deinen Beinen führst du nur die Schwachgeistigen hinters Licht. Diesen nichtsnutzigen Idioten McKee zum Beispiel. Aberich sehe genau, mit wem ich es zu tun habe! Du hast meinen Mann umgebracht, und ich weiß auch, wie du es getan hast. Es ist die Gerechtigkeit Gottes, dass ich nun durch den Mord, den du selbst an mir begangen hast, die Kraft besitze, dir dasselbe anzutun.«
    Sie hielt Hester also für Syrenka. Aber wo war Hester der Name Olaf schon mal begegnet?
    Nun begann die Frau, Hester mit beiden Händen abwechselnd ins Gesicht zu schlagen.
    »Eleanor!«, stieß Hester endlich aus. »Sie sind Eleanor Ontstaan!«
    Sobald Eleanor ihren Namen hörte, unterbrach sie glücklicherweise ihre Schläge – für den Moment zumindest.
    »Dann bist du also kein dummes Monster, wie? Sondern nur ein heimtückisches und niederträchtiges Ungeheuer!«
    Panik ergriff Hester. Noch ein gefesselter Geist! Warum hatte Pastor McKee sie nicht gewarnt? Warum hatte er sie ohne Schutz zurückgelassen? Sie hatte nichts, was sie gegen diesen Geist einsetzen konnte. Keinen Gegenstand aus der Vergangenheit.
    Ihr Herz raste und ihr Atem wurde flach und hektisch. Warum war sie nicht von selbst darauf gekommen? Es hatte doch alles in der Zeitung gestanden, in der Old Colony : dass Eleanor Ontstaan in der Krypta umgekommen war. Und eben weil sie in der Krypta ertrunken war, waren Hester und McKee sich doch überhaupt erst begegnet. Warum hatte sie sich auf das Erlösen der Geister eingelassen, ohne alles ganz detailliert zu durchdenken?
    »Du hast einen frommen, gottesfürchtigen Mann getötet – nein, den bravsten Mann überhaupt. Aber nun wird Gott dich endlich strafen. Er hat mich zu seinem Werkzeug erwählt!«
    »Warum hat McKee mir nichts davon gesagt?«, schrie Hester. Sie wandte ihren Kopf von Eleanors ekelerregendem Mund ab, der – im Gegensatz zu den drei anderen Geistern – den faulen Dunst von über einem Jahrhundert der Verwesung verströmte.
    »Er hat mich vergessen, der alte Tor! So einfach ist das! Alle haben mich vergessen, nachdem sie mich bezwungen hatten. Sie fürchteten meinen Zorn – wie gerechtfertigt er auch war – und sie rangen mich
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