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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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auf dem Podium, vor seinem Sinfonie-Orchester, ein souveräner Herrscher – zu Hause, das heißt in den Hotelzimmern, ein großes Kind, das sich nach Ruhe sehnte, mit einer Puppe im Arm, die Carola hieß. Allein mit seiner Frau fiel das Königliche, das man am Dirigentenpult an ihm bewunderte, völlig ab … in Pantoffeln und einem seidenen Morgenmantel saß er dann im Sessel, las oder diskutierte eine Operninszenierung, trank ein großes Glas Milch, aß mit Pudding gefüllten Kuchen, sogenannten Bienenstich, und war der glücklichste Mensch, wenn Carola ihm zuhörte und ihn lautlos bemutterte.
    Carola tat ihre Pflicht wie bisher … nur an den Aufführungsabenden überfiel sie eine nie gekannte Unruhe, die sich erst glättete, wenn sie am Türspalt stand und auf Jean Leclerc sah, auf seine schlanken Finger, auf die schwarzen Locken, die ihm immer wieder in die Stirn fielen wie einem trotzigen Jungen.
    Ich bin verrückt, sagte sie sich oft. Wirklich, ich bin verrückt. Ich habe einen berühmten Mann, ich habe zwei entzückende Kinder, ich habe alles, was eine Frau sich wünschen kann … und ich sehe auf einen jungen Geiger, schmachtend wie ein Schulmädchen.
    Aber habe ich wirklich auch alles, was eine Frau sich wünschen kann? Bin ich nicht leer? Bin ich nicht an einen über zwanzig Jahre älteren Mann gefesselt, der müde ist, wenn ich erst erwache?
    Sie saß dann, nach solchen Gedanken, wieder zwischen den Blumenbergen und wartete das Ende des Konzertes ab. Sie rückte wieder die Frackschleife gerade, ehe die Fotografen ihre Bilder machen durften, sie tupfte Donani wieder die Schweißperlen von der Nase, und sie hörte – wie seit acht Jahren – seinen mit strahlendem Lächeln hingeschmolzenen Dank: »Danke, mein Engel –«, Worte, die sie dann in jeder Zeitung wiederfand. Das Glück der Donanis, stand einmal darunter.
    Wie betrogen sie alle werden, dachte Carola bitter. Wie groß die Lüge ist, die wir jeden Tag erneuern. Wie ungeheuerlich der Betrug an uns selbst. Warum haben wir nicht den Mut, die Wahrheit hinauszuschreien? Warum müssen wir uns jeden Tag quälen, anstatt mit einem großen, mutigen Schritt in ein anderes Leben zu treten?
    In Rom war es endlich soweit.
    Bernd Donani kam von einer Probe zurück, wie immer erschöpft und angefüllt mit einer großen Sehnsucht: ein großes Glas kalte Milch. Er fand Carola bleich und mit zitternden Händen am Sofa sitzen, einen Zettel zwischen den weißen Fingern. Ihre Augen waren mit Tränen verschleiert.
    »Welch eine Hitze, Engelchen«, sagte Donani und suchte in dem kleinen Zimmereisschrank nach seiner Milch. »Und der dritte Satz klappt noch immer nicht. Die Bratschen und Celli sind zu hart, und es ist den Jungen nicht beizubringen, daß man gerade ein Saiteninstrument streicheln kann …«
    »Ein Telegramm ist gekommen, Bernd …«, sagte Carola leise.
    »Absagen!« Es war Donanis erste Reaktion auf Telegramme. Was bisher mit Depeschen gekommen war, waren nur Einladungen gewesen. »Haben wir keine Milch mehr, Goldkind?«
    »Ein Telegramm von zu Hause, Bernd.«
    »Ach.« Donani wandte sich um. Jetzt erst sah er, daß Carola weinte. Er starrte sie entgeistert an und strich sich hilflos über seine weißen Haare. »Engelchen … was ist denn? Unangenehmes?«
    »Alwine ist krank …«
    »Wir rufen sofort an, was los ist.«
    »Wir rufen nicht bloß an … wir fahren sofort hin!«
    »Aber Engelchen«, Donani zupfte nervös an seiner Krawatte. »Heute abend, das Brahms-Konzert …«
    »Du dirigierst deinen Brahms oder Prokofieff auch noch, wenn deine Kinder im Sterben liegen!« schrie Carola. Sie warf das Telegramm auf den Boden und sprang mit einem wilden Satz auf. »Ich hasse dich und deinen Beruf! Ich hasse dich!«
    »Aber Engelchen …«, stotterte Donani. »Laß uns doch erst anrufen …«
    »Wenn man ein Telegramm schickt, ist es schlimm genug. Soll ich allein fahren?«
    »Du wirst es müssen. Das Konzert –«
    Carola hatte ihre Haltung wiedergefunden. Es kostete Mühe, beherrscht zu sein, aber in diesem Augenblick war es das beste, klar zu denken und ebenso klar zu sprechen.
    »Weißt du, daß ich nicht wiederkomme, wenn ich jetzt allein fahre?« sagte sie mit einer unheimlichen Kälte in der Stimme. Bernd Donani nagte an der Unterlippe.
    »Aber das ist doch Dummheit, Goldkind –«
    »Ich bleibe bei den Kindern.«
    »Aber du weißt doch, daß ich ohne dich nicht reisen kann. Du weißt, daß ich dich brauche –«
    »Als Staffage, ja. Als
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