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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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um ihren Oberkörper.
    »Darf ich Ihnen meine Jacke anbieten, Madame?« fragte eine Stimme. Carola fuhr herum. Hinter ihr, umsprüht von den Kaskaden des beleuchteten Springbrunnens, stand Jean Leclerc. Er lächelte freundlich und machte Anstalten, den Rock auszuziehen. Carola hob abwehrend die Hand.
    »Danke. Ich friere nicht.« Sie legte die Hand über ihre Brust und wandte sich wieder zur Oper um. »Ein merkwürdiges Zusammentreffen. Gehen Sie oft nachts spazieren?«
    »Nicht öfter als Sie, Madame.«
    »Ich konnte nicht einschlafen.«
    »Ich ebensowenig. Und sicherlich hat der Arzt Ihnen – wie mir – frische Luft und Bewegung verordnet …«
    Carola lachte, aber es klang gequält. »Sie haben eine freche Art der Konversation, Monsieur Leclerc. Gute Nacht …«
    »Bitte –«, Leclerc hob die Hand, aber er berührte Carola nicht.
    »Ja?« Sie blieb stehen, obwohl sie es nicht wollte.
    »Wo wollen Sie hingehen, Madame?«
    »Zurück ins Hotel. Mein Quantum an frischer Luft und Bewegung ist erfüllt –«
    »Sie laufen davon?«
    »Ich wüßte nicht, vor wem.«
    »Vor sich selbst. Sie sind vorhin davongelaufen … und jetzt tun Sie es wieder. Sie sind immer auf der Flucht vor sich selbst.«
    »Es ist lächerlich, Ihnen zuzuhören.« Carolas Stimme klang gepreßt. Sie wandte sich ab und ging über den großen Platz. Leclerc folgte ihr, ging an ihrer Seite und schwieg. Erst als sie das Ende des Platzes erreicht hatte, blieb er stehen. Wie unter einem Zwang verhielt auch Carola Donani den Schritt.
    »Was ist denn?« fragte sie, als Leclerc schwieg.
    »Merken Sie nicht, daß Sie in völlig falscher Richtung gehen? Das Hotel liegt an der Seine … hinter Ihnen …«
    »Ich liebe Umwege …«
    »Ich nicht.«
    »Was wollen Sie eigentlich von mir?«
    »Sagte ich Ihnen nicht schon, daß meine Ahnen Troubadoure waren? Es ist uns unmöglich, eine Frau leiden zu sehen.«
    »Und ich wiederhole Ihnen zum letzten Male: Lassen Sie mich in Ruhe. Ich habe Ihren Beistand nicht nötig.«
    »Sie lügen schon wieder, Madame.«
    Durch Carola lief ein Zittern. Sie bemühte sich, es nicht zu zeigen, aber ihre Hände verrieten sie. Die Finger krallten sich in den Pelz des Capes. Jean Leclerc sah sie aus seinen dunklen Augen fragend an. Sein jungenhaftes Gesicht war jetzt viel reifer und männlicher, seine weichen Lippen schmal und entschlossen.
    »Es war kein Zufall, daß ich Sie auf der Place de l'Opéra traf, Madame …«
    »Ich weiß …«, sagte Carola leise.
    »Ich bin Ihnen den ganzen Weg gefolgt … vom Hotel, die Seine entlang, bis hierher … Ich ahnte, daß Sie aus dem Hotel kommen würden. Sie waren nicht in der Verfassung, sich hinzulegen und zu schlafen. Sie würden die Nacht suchen … das wußte ich.«
    »Kennen Sie Frauen so gut?« Sie sah ihn groß an.
    Leclerc lächelte leicht.
    »Es ist uns angeboren, Madame.«
    »Bei mir irren Sie sich.«
    »Ich würde mich töten, wenn es wahr wäre.«
    »Bitte, tun Sie es … aber erst, wenn ich weg bin. Adieu …«
    Sie wollte gehen, aber Leclerc hielt sie wieder fest. Jetzt war sein Griff hart, fordernd, unausweichlich. Es durchzuckte sie wie ein elektrischer Schlag. Das Gefühl, von ihm festgehalten zu werden, nahm ihr fast den Atem.
    »Lassen Sie mich los«, keuchte sie und riß an seiner Hand.
    »Warum haben Sie Angst?« Seine Stimme war warm wie die Nacht, die sie umgab. Sie hatte den samtenen Ton einer verhängten Laute. »Ich kenne Sie besser als Sie sich selbst, Madame. Ich sehe jeden Tag Sie und Ihren Mann … ich sehe die wundervolle Komödie von Glück und Liebe, die man der Öffentlichkeit vorspielt, und ich höre die Leere, die in Wahrheit um Sie ist. Sie verstehen es wie keine andere Frau, Madame, Schmuck, Pelze und Abendkleider zu tragen … aber noch besser stände es Ihnen, wenn in Ihren Augen der gleiche Glanz funkelte wie aus den Brillanten. Aber diese Augen sind traurig, Madame … und niemand sieht sie, weil alles nur auf die Kleider und Pelze und Perlen schaut. Aber ich habe es gesehen … mich können Sie nicht belügen, Madame.«
    »Und … und was soll das alles?« Carolas Stimme war tonlos vor Erregung.
    »Ich will Sie glücklich machen, Carola –«
    »Sie sind total verrückt, Leclerc!«
    »Nicht verrückter, als Sie ängstlich sind. Sie sind schön wie eine seltene Blume … warum wollen Sie in der Dunkelheit Ihre Blüte verlieren, wo Sie für die Sonne geschaffen sind?«
    »Lassen Sie mich sofort los!« Carola zerrte an seinem Griff. Jean Leclerc hob den
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