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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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warum kann er das nicht? Sie küßte Alwine auf die heiße Stirn, streichelte über die blonden Haare und ging hinaus. Babette, die Kleinere, tobte draußen im Garten … sie spürte noch nichts von den Masern und hatte sofort mit Jean Leclerc Freundschaft geschlossen. Sie warfen sich einen dicken Wasserball zu, und Babette quiekte vor Freude, wenn Leclerc ihn nicht auffing und ihm über die große Wiese nachlaufen mußte, weil der Wind den leichten Ball wegtrieb.
    Wie soll das alles werden, dachte Carola und beobachtete das Spiel Babettes und Leclercs. Sie erinnerte sich nicht, Bernd Donani jemals in den kurzen Urlaubstagen mit den Kindern so fröhlich und losgelöst spielen gesehen zu haben. Im Gegenteil … in den Ferien saß er hinten unter dem hohen Buchenbaum in einem gepolsterten Liegestuhl und löste Kreuzworträtsel. Milch, Orangenlimonade und Kreuzworträtsel … das waren die Ferienerinnerungen Carolas.
    So kann es nicht weitergehen, dachte sie und strich sich die blonden Haare von den Augen. Ich bin jung, ich habe ein Recht an das Leben, ich will nicht vergreisen in einem Alter, in dem andere Frauen erst aufblühen und reifen.
    Am Abend saßen sie um das Feuer des offenen Kamins in der großen Wohnhalle. Der Blick durch die breiten Fenster ging über den See und hinüber zu den Bergen, die als schwarze Wand gegen den fahlen Nachthimmel standen. Im Haus war es still. Die Kinder schliefen längst, Erna Graudenz war nach Starnberg ins Kino gefahren.
    Jean Leclerc stocherte mit dem Kamineisen in der Glut und schob einen Buchenklotz nach. Zwischen ihm und Carola war eine innere Spannung, die kein Wort und keine Bewegung mehr verdrängen konnten.
    »Wie alt sind Sie, Leclerc?« fragte Carola plötzlich.
    »Fünfundzwanzig Jahre, Madame.« Er richtete sich auf. Sein Jungengesicht war von der Kaminglut gerötet. »Ich weiß, ich bin jünger als Sie …«
    »Wo leben Ihre Eltern?«
    »Ich bin Waise. Mein Vater fiel im Krieg gegen die Deutschen, meine Mutter starb vor vier Jahren an Krebs. Damals studierte ich in Berlin. Ich habe mir das Ende des Studiums mit Musikunterricht erarbeiten müssen.«
    »Und nun sind Sie Geiger im Pariser Philharmonischen Orchester.«
    »Letzte Reihe, Madame. Und ich träumte davon, einmal Solist zu sein, ein Virtuose …«
    »Sie sind ja noch so jung, Leclerc …«
    »In meinem Alter waren Menuhin und Heifetz schon weltberühmt. Ricci spielte mit dem Bostoner Orchester …« Jean Leclerc sah Carola groß an. Seine dunklen, nun fast schwarzen Augen glänzten. »Es ist vielleicht mein Schicksal, in der letzten Reihe zu sitzen. König Donani wird sich nie herablassen, daß ich ihm einmal vorspiele –«
    »Sprechen wir jetzt nicht von Donani –«, sagte Carola leise. »Sprechen wir von Ihnen, Leclerc. Wann müssen Sie wieder zurück?«
    »Wie lange bleiben Sie hier, Madame?«
    »Bestimmt vier oder fünf Wochen …«
    »Dann werde ich morgen fahren müssen.«
    »Morgen schon?« Sie sah ihn an. Die schwarzen Locken, der weiche Mund, das ebenmäßige Gesicht, die schlanken, nervösen Finger. Er ist so jung wie ich, dachte sie. So jung …
    Sie erhob sich brüsk, nickte ihm zu und wandte sich ab. »Gute Nacht. Es ist schon spät.«
    »Gute Nacht, Madame.«
    Er verbeugte sich, ließ Carola an sich vorbei, ohne sich zu bewegen, ohne sie aufzuhalten. Sie zögerte den Bruchteil einer Sekunde mit dem nächsten Schritt, dann hob sie stolz den Kopf und ging weiter.
    Leclerc sah ihr nach, wie sie die Treppe hinaufging, mit geradem Rücken, wie eine aufgezogene Puppe, Schritt für Schritt. Sie blickte sich nicht um, aber sie spürte im Nacken, daß er ihr nachstarrte. Dann war sie um eine Biegung der Treppe verschwunden. Irgendwo klappte eine Tür.
    Leclerc blieb am Kamin stehen und schob mit dem Feuereisen den Buchenklotz tiefer in die Glut. Er wartete eine Zigarettenlänge, warf den Rest in den Kamin, schob das eiserne Schutzgitter vor die Glut und ging dann langsam die Treppe hinauf, den gleichen Weg, den Carola Donani gegangen war.
    Am nächsten Morgen, mit dem Frühzug, fuhr Jean Leclerc wieder zurück nach München und von dort weiter nach Rom.
    Niemand verabschiedete ihn, nur Erna Graudenz war schon auf, kochte ihm eine kleine Kanne starken Kaffee, toastete zwei Weißbrotschnitten und richtete den Kaffeetisch her. Leclerc rührte nichts an … er trank nur eine Tasse Kaffee, starrte wortlos hinaus in den Garten und über den in der Morgensonne spiegelnden See, bedankte sich bei Erna Graudenz
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