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Symphonie des Lebens

Symphonie des Lebens

Titel: Symphonie des Lebens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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das Ende.
    Sie kam wieder zu sich, als Carola ihr einen feuchten Umschlag auf die Stirn legte. Mit einem Ruck sprang Bertha Portz vom Sofa auf und schleuderte das Tuch weit weg ins Zimmer. Sie wich zurück bis zum Fenster, um dort hinausschreien zu können, wenn es nötig wäre. Mit dem Erwachen aus der Ohnmacht war auch die lähmende Tatsache, daß die Toten auferstanden seien, von ihr abgefallen. Vor ihr stand wieder die fremde, südländische Frau. Sie sprach zwar wie Carola, sie hatte Augen wie Carola – aber nur ähnliche, wie Frau Portz jetzt feststellte –, und sie ging auch wie Carola. Und doch war sie anders, ganz anders. Es war ein Hauch von Erinnerung an ihr, weiter nichts.
    »Was … was wollen Sie hier?« fragte sie laut und hob schützend beide Arme, als Carola einen Schritt auf sie zu machte. »Wer sind Sie …?«
    Carola senkte den Kopf und wandte sich ab. Schluchzen schüttelte ihren Körper … sie warf sich in einen Sessel und drückte das Gesicht in die Lehne. Dann, plötzlich, so laut ausbrechend, daß Bertha Portz zusammenzuckte und sich fast duckte, schrie sie: »Mutter! Erkennst du mich nicht, Mutter?«
    »Sie … Sie sind eine Betrügerin …«, sagte Bertha Portz tonlos. »Meine Tochter ist tot. Ich habe selbst an ihrem Grab gestanden – Gehen Sie! Sofort! Oder ich rufe um Hilfe!«
    »Aber ich bin es doch, Mutter! Ich bin es!« Carola hob bittend beide Hände. »Ich bin damals nicht verunglückt … in dem Wagen verbrannte eine andere Frau, eine Unbekannte. Ich habe ein anderes, ein fremdes Leben geführt, ich habe mir das Gesicht verändern lassen. Mutter, glaub es mir doch. Mutter … wie soll ich dir beweisen, daß ich Carola bin?« Sie riß die Handtasche auf und warf ihren alten deutschen Paß auf den Tisch. »Hier ist mein früherer Paß. Mit dem Bild der blonden Carola Donani. Und so bin ich jetzt.« Sie sprang auf und schwankte. Aber ihr ungeheurer Wille, stark zu sein, hielt sie aufrecht. »Das ist aus mir geworden, Mutter! Eine fremde Frau, die als Hure gelebt und die das Leben dann ausgespien hat, eine Frau, die sich ekelt, wenn sie sich im Spiegel sieht, eine Frau, die einen Weg zurück sucht und die bereuen und büßen will, wenn das überhaupt möglich ist, eine Frau, die so weit ist, daß sie ihr weiteres Leben als unbekannte Magd dienen will, nur um bei den Kindern zu sein, die sie verraten hat. Jawohl, verraten eines jungen Burschen wegen, der zu lieben verstand und mir einen Himmel aufriß, in dem ich zwar fühlen konnte, aber blind war.« Sie breitete die Arme aus und schloß die Augen. »Willst du noch mehr hören, Mutter? Sonst wirf mich hinaus … ich habe es verdient, in der Gosse zu enden! Ich kann nicht mehr … ich wollte nur noch einmal mit dir sprechen –«
    Bertha Portz ging langsam auf Carola zu. Sie ergriff ihre ausgestreckten Hände und zog sie an ihre Brust.
    »Setz dich, Carölchen –« sagte sie leise. »Und weine erst einmal –«
    »Mama –« Carola preßte den Kopf an ihre Mutter. Ihr Weinen war wild und zerreißend, aber es befreite auch. Die Furcht und die Sünden von Monaten flossen aus ihr und machten sie innerlich freier und bereiter für das kommende Leben.
    Fünf Stunden dauerte die Beichte Carolas vor ihrer Mutter. Sie erzählte alles, sie verschwieg nichts, nicht das kleinste Detail, und die alte Frau sah in eine Welt, die sie nie gekannt, ja nicht einmal geahnt hatte, die so fremd, so schrecklich, so verdorben und wiederum so erziehend war, daß sie stumm zuhörte, an kein Essen, an kein Trinken dachte, sondern nur ihre Tochter Carola anstarrte, ihr Kind, das dem Äußeren nach nicht mehr ihr Kind war.
    »Und was nun?« fragte sie, als Carola nach fünf Stunden erschöpft schwieg. »Was soll nun werden? Willst du dich Bernd zu erkennen geben?«
    »Um das zu fragen, bin ich zu dir gekommen, Mama. Ich weiß es nicht.«
    »Du mußt ihm die Wahrheit sagen, so, wie du sie mir gesagt hast.«
    »Das wollte ich auch … bis gestern abend.« Carola legte den Kopf weit zurück auf die Sessellehne und starrte gegen die Decke. »Da wurde alles anders … da hat er gebeichtet. Sein verborgenstes Inneres hat er bloßgelegt. Und ich habe mit Entsetzen gesehen, daß Carola für ihn wirklich tot ist. Nicht nur körperlich … auch seelisch. Er hat sich von mir gelöst, ich bin in ihm verblaßt. Ich bin eine Erinnerung geblieben, aber keine, die ihn völlig fesselt, sondern eine Erinnerung wie viele, die er hat … an ein großes Konzert, an seine
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