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Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down
Autoren: David Ballantyne
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Lippen trennten sich, er lachte und richtete sich auf, sie lachte jetzt ebenfalls. Sie betrachtete ihn und untersuchte jeden Millimeter seines Körpers, und sie entdeckte etwas, das sie zu erschrecken schien – sie hielt die Hand vor den Mund und riss die Augen auf – aber der Schreck war nur gespielt. Er küsste ihre Brüste, sie packte sein Haar und zog daran. Als er sie zwickte, quietschte sie vergnügt und stand auf. Ich sah ihren Rücken, sie blickte auf ihn herab. Er stand auch auf, ich sah alles, ich sah, warum sie so erschrocken getan hatte. Ich hatte es auf einmal sehr eilig, ich musste fort, ich hatte mehr als genug gesehen. Ich hatte gewisse Vorstellungen gehabt, aber dies hier übertraf sie alle. Ich hatte mir immer vorgestellt, sie würde still daliegen, sanft und still, ohne zu kratzen, ohne zu zucken, ohne zu schreien. Ich wollte nicht – Nun kniete sie, sie strich die Matte glatt, sie beugte sich vor, war jetzt auf allen vieren, sie schien zu warten. Er kniete sich hinter sie, rückte an sie heran, er legte den Arm um sie, sie stieß einen Schrei aus – wieder dieses ganz andere Schreien –, sie waren wieder zusammen. Als ich mich gerade von dem Loch abwandte, wurden ihre Schreie wieder lauter. Leise schob ich die Backsteine zurück, die Schreie hallten durch die Ruine, endlos, sie füllten jede Ecke des Gebäudes. Ich rannte die Treppen hinunter, rettete mich auf den sonnigen Hof.
    Ich rannte. Sie sind alle gleich, dachte ich, dieses Ächzen und Schreien und Stöhnen, es ist immer das Gleiche. Es ist das Seufzen sterbender Tiere. Es ist der Aufschrei, bevor der Hammer herabsaust, bevor die Klinge eindringt. Wie konnte sie es erlauben, dass so etwas – etwas von dieser Größe – in sie eindrang? Kein Wunder, dass sie mich auslachte, wenn sie meinen sah. Kein Wunder, dass sie ihm einen Babynamen gegeben hatte. Ich war ein Baby. Er war ein Mann. Egal, wie viele Liegestützen ich morgens machte, egal, wie viele Tage und Wochen ich trainierte, gegen ihn hatte ich keine Chance.
    Ich rannte.
    Ich rannte über den Gartenweg, war mit einem Satz auf der Veranda. Ich rannte durch die Küche, ließ den Tisch links liegen, war schon im Flur, als –
    »Harry!«, rief Papa.
    Ich blieb nicht stehen.
    »Harry!«, rief er noch einmal.
    Ich blieb stehen. Sah mich nicht um. »Ja?«
    »Komm mal her«, sagte er.
    Ich stand im Flur, sah ihn an.
    Er saß am Küchentisch. Die Krücke lag neben seinem Stuhl auf dem Boden. Seine Hände lagen auf dem Tisch. In einer Hand war ein Blatt Papier.
    »Was hast du denn?«, fragte er.
    »Nichts«, sagte ich.
    »Komm mal her«, sagte er. »Du siehst ja aus wie ein Häufchen Elend. Was hast du denn? Was hast du denn für einen Grund, dich elend zu fühlen?«
    »Nichts«, sagte ich und trat an den Tisch. »Alles in Ordnung.«
    »Du siehst aber aus, als hättest du ein Gespenst gesehen«, sagte er ernst.
    »Nein, nichts gesehen«, sagte ich, »ehrlich, Papa, ich hab sie nicht –«
    »Wen?«
    »Niemanden«, sagte ich. Schnell jetzt, wen hatte ich denn sonst gesehen? »Also, nur Mr Norman«, sagte ich, »Mr Norman ist eben zum Hafen gegangen …«
    »So ein Idiot, der kann mich mal«, sagte Papa. »Man sollte ihm einen Schubs geben da unten am Kai, was Besseres hat er nicht verdient.« Er sah das Blatt in seiner Hand an, starrte auf den Tisch. Er hatte mich vergessen.
    Es geht um sein Elend, dachte ich, seine Traurigkeit. Caroline war mir auf einmal ganz egal, alle waren mir egal, nur Papa nicht. Caroline ist eine, eine, eine Nutte, dachte ich, jawohl, Papa dagegen, ich würde lieber Papa helfen als ihr, ich hätte meine Zeit nicht auf Caroline verschwenden sollen. Papa hatte meine Hilfe viel eher verdient.
    »Papa?«, sagte ich.
    Er starrte auf die Tischplatte.
    »Ich finde es toll, dass wir nach Bonnie Brae ziehen«, sagte ich. »Ich bin froh, wenn Mr Norman nicht mehr mein Lehrer ist. In Bonnie Brae sind die Lehrer bestimmt besser. Papa?«
    Er sah mich schweigend an.
    Ich saß ihm gegenüber. Er starrte auf das Blatt in seiner Hand. Ein Brief. Der Brief, den Mr Kelly ihm gebracht hatte.
    »Hast du einen Auftrag für mich, Papa?«, fragte ich. »Willst du, dass ich Brennholz hole für die Wanne?«
    »Was?«, sagte er und schüttelte den Kopf, als wollte er sich selbst wachrütteln. »Lehrer? Was hast du gerade gesagt?«
    »Ich hab nur gesagt, dass die Lehrer in Bonnie Brae bestimmt besser sind«, antwortete ich, »und ich habe mich gefragt, ob es da –«
    »Bitte,
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