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Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)

Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)

Titel: Suppenmord: Kommissar Hölderling kocht (German Edition)
Autoren: Edda Minck
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das eigentlich klar? Wir beide haben keinen Draht zur Realität, wie ihr Normalos sie lebt. Jeder auf seine Art eben. Gregor leidet ab und zu daran und zieht sich komplett zurück. Ich habe beschlossen, eine Expedition an diesen unbekannten Ort namens Normalität zu unternehmen, um ein paar wissenschaftliche Studien zu betreiben. Struck ist da ein ganz tauglicher Expeditionsleiter. Er bringt mir Dinge bei, die man im normalen Leben braucht. Ohne ihn wäre ich heute nicht hier. Glaubst du etwa, ich wäre von allein auf die Idee gekommen, deine Einladung anzunehmen?»
    «Du bist also hier, einzig und allein aus dem Grund, weil man das so macht ? Du übst dich im common sense ?»
    «Ja. Thomas Struck macht dauernd solche Sachen. Automatisch. Er kennt sich damit aus, weil er es von Kindesbeinen an so gelernt hat. Ich verstehe das zwar alles nicht, aber ich probiere es aus.»
    «Und Freundschaft bedeutet dir gar nichts?»
    «O doch. Wenn du damit meinst, dass ich dir jederzeit meine linke Niere spenden würde, solltest du sie jemals brauchen, dann ja, dann weiß ich, was Freundschaft ist. Man gibt Dinge her, die der andere dringend braucht, weil man davon ausgeht, dass der andere das auch machen würde.»
    «Ich würde ein Vermögen dafür ausgeben, dein Gehirn zu sezieren, Annelies. Du bist doch irgendwie nicht richtig verdrahtet. Wie kann man als menschliches Wesen nur so sein?»
    «Aber das sage ich doch die ganze Zeit. Warum guckst du jetzt so?»
    «Man nennt es traurig, Annelies. Ich trauere. Weil da, wo andere Leute ein Herz haben, bei dir ein Erlenmeyerkolben oder was auch immer ist … Mein Freund Gregor Hölderling hat ein Herz, ein großes Herz, eines, das schlägt und pulsiert und … und … krank ist und brechen kann und … und er hat es an dich verloren. Nicht nur eine Niere, von der man ja bekanntlich zwei hat. Sagt dir das gar nichts? Hast du Gregor denn jemals geliebt? Liebst du ihn noch? Was, wenn dein Experiment zu Ende ist oder scheitert? Was dann, Annelies?»
    Im selben Augenblick betrat Hölderling die Küche. Jobst Freitag fiel beinahe die Suppenkelle aus der Hand, Viktor hielt vor Schreck die Luft an, und Annelies sagte nur: «Da bist du ja.»
    «Ja», sagte Hölderling, «da bin ich. Ich hoffe, nicht gar zu spät. Ich musste mir noch einen Anzug raussuchen, der dem Anlass angemessen ist», log Hölderling, denn er trug genau den Anzug, den Sophie ihm herausgelegt hatte. Was ihn von einem pünktlichen Erscheinen abgehalten hatte, war die schiere Angst gewesen, wieder in trauter Runde mit Annelies und Viktor an Jobsts Tisch zu sitzen. Das hatte er für eine lange Zeit vermisst, und nun, wo er nur noch hätte losgehen müssen, hatte ihn die Furcht gepackt. Das hatte dazu geführt, dass er sich schnell noch einen Pfannkuchen hatte backen müssen, weil der Klingel’sche Streusel längst aufgegessen war. Und selbst dann hatte er es vermieden, mit dem eigenen Wagen zu fahren, und sich ein Taxi bestellt, das er drei Straßen vor Jobst Freitags Delikatessenladen wieder verlassen hatte, um die letzten Meter zu Fuß zu gehen. Da war er erst zehn Minuten zu spät dran gewesen. Er hatte die Hintertür zu Jobsts Delikatessenladen genommen, und als er im Hausflur stand und Annelies’ Stimme in der Küche gehört hatte, war es, als hätte jemand seine Schuhe in den Holzboden genagelt. So hatte er mit angehört, wie sein Freund Viktor für ihn eine Lanze brach, und er hatte auch gehört, mit welch messerscharfer Intelligenz Annelies sich selbst seziert und analysiert hatte. Aber das, was Viktor so entsetzt hatte, war Hölderling schon immer klar gewesen. Annelies Emotionalität und soziale Kompetenz bewegte sich selten über der Nulllinie. Und er hatte schon lange damit gerechnet, dass sie sich irgendwann in ihrem Leben auf den Weg machen würde, um eine private Annelies-Seydelbast-Forschungsarbeit darüber zu beginnen, was es da draußen, außerhalb des Kokons der Hölderling’schen Dauerbeziehung und ihrer wissenschaftlichen Arbeit, noch so gab. Er hatte nur gehofft, sie würde später damit anfangen, oder mit ihm gemeinsam. Am Ende, so dachte er, müsste er ihr sogar dankbar sein, dass sie es nicht getan hatte, sondern Struck als Versuchskaninchen ausgewählt hatte. Die meisten Labortiere mussten sterben, wenn die Experimente abgeschlossen waren. Sie hatte ihn lediglich ausgesetzt, wohl wissend, dass er es allein schwer haben würde in der Wildnis da draußen. Aber sie hatte ihn am Leben gelassen, und das
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