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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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in den See. Viel Zeit bleibt mir ja nicht mehr, aber paßt auf: ich werde es noch erleben, daß der letzte Aal aus Mangel an Platz uns an der Enge vonPerello zuschwänzelt und im Meer verschwindet! Und Toni mitten unter diesen Piraten! Mein Sohn, ein Paloma, als Landmann! ...«
    Und der Alte schüttelte sich, als sähe er einen Spuk.
    Die Zeit verging. Seine Schwiegertochter schenkte ihm einen Enkel, einen Tonet, den der Großvater nachmittags oft zum Kanalufer heruntertrug, wobei er die Pfeife fürsorglich in eine Ecke seines zahnlosen Mundes schob, damit der Rauch den Kleinen nicht belästige. Ein verteufelter Bengel, dieser Kleine, und hübsch! ... Die dürre, häßliche Schwiegertochter war genau wie seine Verstorbene, wie alle Frauen seiner Familie: stets brachten sie Kinder zur Welt, die ihren Vätern in nichts glichen.
    Am Wasser zeigte der Großvater seinen Freunden, die immer spärlicher wurden, das Enkelkind und orakelte über die Zukunft.
    »Der gehört zu uns und wird kein anderes Haus haben als sein Boot. Und bevor alle Zähne heraus sind, soll er staken können!«
    Aber bevor alle Zähne heraus waren, trat ein Ereignis ein, das Paloma nie und nimmer erwartet hätte. In der Taverne sprach man davon, daß Toni von einer Dame in Valencia einige Reisfelder nahe bei Saler in Pacht genommen hatte, und als der Alte, sobald er abends seinen Sohn zu Gesicht bekam, von diesem Gerücht erzählte, mußte er entsetzt feststellen, daß Toni das Verbrechen keineswegs leugnete.
    »Wann ist ein Paloma je abhängig gewesen?« brauste der Fischer auf. »Immer lebte die Familie frei, wie es Kindern Gottes, die etwas auf sich halten, zukommt, und suchte sich ihren Unterhalt im Wasser und in der Luft. Als Herren hatten wir nur den König oder den Franzmann, die einen nicht drückten und deren Grandezza zu ertragen war. Aber Pächter einer städtischen Modenärrin? ... Ihr, jahraus, jahrein, den größten Teil vom Verdienst abliefern? ... Oh, la la! Ich werde diese Dame sofort aufsuchen, um den Vertrag rückgängig zu machen. Die Palomas ducken sich vor niemanden, solange es noch etwas im See gibt, das man zum Munde führen kann – und wären es Frösche!«
    Noch größer jedoch wurde seine Bestürzung, als er bei seinem Sohn auf unvorhergesehenen Widerstand stieß. Toni, der sich die Sache reiflich überlegt hatte, war entschlossen, nicht nachzugeben.
    »Was sind wir? ... Bettler, die gleich Wilden in ihrer Hütte hausen und wie Verbrecher vor den Flurhütern flüchten müssen, wenn sie mal etwas anderes als Fisch in ihrem Topf sehen wollen! Und dieses Elend kommt vonden Vätern auf die Söhne, als wären wir für ewig an den Schlamm der Albufera gebunden – stumpfsinnig, ohne jegliches Streben, geht es uns wie der Kröte, die sich im Röhricht glücklich dünkt, weil sie am Wasserspiegel Insekten findet.
    Nein, ich lehne mich dagegen auf! Ich will nicht einzig und allein arbeiten, um zu essen, sondern auch, um Ersparnisse zu machen. Man muß sich nur die Vorteile des Reisanbaus vor Augen führen: kleine Anstrengungen und großer Verdienst! Wo gibt es das sonst auf der Welt? ... Im Juni wird gesät, im September geschnitten. Ein wenig Dung und ein wenig Arbeit – im ganzen drei Monate! Nach der Ernte besorgt der Regen den Rest; das Wasser des Sees steigt, bis es die Felder bedeckt. Mit dem Verdienst in der Tasche fischt man die anderen Monate, um die Familie zu ernähren. Kann man sich mehr wünschen? ... Der Großvater hat nach einem Hundeleben nichts weiter erreicht, als diese Hütte zu bauen, in der wir ständig geräuchert werden, und du, Vater, konntest keine Kruste für dein Alter erübrigen.
    Läßt du mich nach meinem Belieben arbeiten, so wird mein Junge mal Reisfelder besitzen, die man nicht übersehen kann, und sich vielleicht auf unserem Grund und Boden das schönste Haus von Palmar erheben.«
    Der Alte war leichenblaß geworden und starrte auf die schwere, in der Ecke lehnende Stange zum Staken. Es zuckte ihm in den Händen, Toni mit einem Hieb den Kopf zu zertrümmern, wozu er sich nach solchem Frevel gegen die väterliche Autorität durchaus berechtigt fühlte. Aber er sah die Schwiegertochter, das Enkelkind auf dem Arm, und diese beiden Wesen schienen seinen Sohn zu erhöhen, auf das gleiche Niveau mit ihm selbst zu heben. Toni war ein Vater! Zum erstenmal legte er sich Rechenschaft ab, daß er nicht mehr den Jungen von früher vor sich hatte, der am Kochtopf stand und unter dem grimmigen Blick des Vaters
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