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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Brust.
    »Die Flurhüter sind Strolche, die sich anstellen lassen, weil sie die Arbeit verabscheuen. Und diese Herren Jagdpächter? ... Diebe, die alles für sich haben wollen. Die Albufera gehört uns Fischern! Wären wir in einem Palast geboren, so würden wir Könige sein. Zu irgendeinem Zweck hat der liebe Gott uns also hier zur Welt kommen lassen. Alles andere sind Lügen, von den Menschen erfundene Lügen.«
    Dann wies er auf den Enkel, den er heimlich mitgeschleppt hatte:
    »Den erziehe ich; doch so, daß er nicht auf die Abwege seines Vaters gerät. Mit der Flinte umgehen und den Grund des Sees kennen wie ein Aal, das will ich ihm beibringen, damit nach meinem Tode wieder ein Paloma da ist, um die großen Jäger zu führen.«
    Der Groll des Alten gegen seinen Sohn blieb wach. Er verschmähte es, die scheußlichen Äcker zu sehen, die jener bebaute, aber seine Gedanken umkreisten sie ständig, und er lächelte in diabolischer Lust, als er erfuhr, daßes mit der Pflanzung schlecht stand. Salpeter war während des ersten Jahres in die Felder eingedrungen, gerade im Moment, als der Reis Körner ansetzte, und fast die ganze Ernte ging verloren. Immerhin rührten die traurigen Mienen sowie der sichtbare Mangel, den die Familie litt, Paloma so weit, daß er seine Stummheit brach, um dem Sohn zu raten. Hatte Toni sich jetzt überzeugt, daß er zum Landmann nicht geboren sei? ... Die Feldarbeit sollte man den Leuten überlassen, die von alters her sich damit befaßten, die Erde auszuweiden ... Ein Paloma gehörte aufs Wasser!
    Doch Toni antwortete mit einem schlechtgelaunten Brummen, worauf der Alte wieder in seinen schweigenden Haß verfiel. Ah, der Dickkopf! ... Und von Stund' an wünschte er den Feldern seines Sohnes jedes nur erdenkliche Mißgeschick als einzigstes Mittel, den hochmütigen Starrsinn zu brechen. Zu Hause stellte er keinerlei Fragen, doch wenn sein Boot die großen, von Saler kommenden Barken kreuzte, erkundigte er sich stets nach dem Aussehen von Tonis Feldern.
    Die gegen Ende des Sommers einsetzenden wolkenbruchartigen Gewitter ließen ihn mit Behagen ein stetes Steigen des Wasserspiegels beobachten. Nur so weiter! ... Auf den Knien sollte sein Sohn den Schlüssel zum Fischkasten mit dem brüchigen Strohdach erbitten, um essen zu können!
    Zu Tonis Glück gingen die boshaften Wünsche des Alten nicht in Erfüllung. Es kamen gute Jahre; in der Hütte begann ein gewisser Wohlstand zu herrschen, und der beherzte Reisbauer träumte von der Möglichkeit, eines Tages eigene Felder zu bewirtschaften, für die er nicht mehr den größten Teil vom Erlös der Ernte in Valencia abzuliefern hätte.
    Mittlerweile verbrachte der heranwachsende Tonet Tag für Tag mit dem Großvater auf dem Wasser, während seine Mutter traurig in der Hütte allein saß und voll Angst an ihre noch einsamere Zukunft dachte. Hätte sie doch mehr Kinder gehabt! So inbrünstig hatte sie eine Tochter von Gott erbeten! Aber die Tochter kam nicht, konnte nach des alten Paloma Versicherung auch nicht kommen, weil die Nachbarinnen, die ihr bei Tonets Geburt beistanden, sie so arg zugerichtet hätten, daß »nichts an der richtigen Stelle geblieben war«. Tatsächlich sah sie immer krank aus, farblos wie Papierbrei, und konnte sich nur unter starken Schmerzen längere Zeit auf den Füßen halten. Doch um den Männern nicht lästig zu fallen, schluckte sie ihre Seufzer und Tränen still hinunter.
    Toni kannte die sehnsüchtigen Wünsche seiner Frau; der Gedanke, einMädchen im Hause zu haben, das der Kranken zur Hand gehen konnte, gefiel ihm. So machten beide eine Reise nach Valencia, wo sie sich im Findelhaus ein sechsjähriges Kind, ein scheues, häßliches Tierchen, aussuchten. Es hieß Visanteta, aber mit der unbewußten Grausamkeit des Volkes nannte es in Palmar jedermann Borda, [Findling.] als sollte nur ja seine Herkunft nicht in Vergessenheit geraten.
    Paloma grunzte ärgerlich: »Ein hungriger Mund mehr!« Tonet fand diese Kleine, an der er alle seine Launen auslassen konnte, sehr nach seinem Geschmack. Zärtlichkeit brachte nur die immer schwächer werdende Mutter dem Mädchen entgegen. Die Kranke gab sich der Illusion hin, eine eigene Tochter zu haben, und nachmittags, wenn die Sonne auf die Tür fiel, setzte sie Borda in den Eingang, um sorgsam ihr gut eingeöltes, widerspenstiges Haar glatt zu bürsten.
    Wie ein lebhaftes, gehorsames Hündchen trottete Borda fröhlich durch die Hütte, fand sich mit aller Mühsal ab und ertrug
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