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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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jemand?«
    Doch über alle Gesichter breitete sich ein freundliches Lächeln, als jetzt ein Paar aus der Taverne heraustrat.
    »Ah, der Onkel Paco! Der Onkel Paco Cañamel!«
    Der Besitzer der Taverne, ein Riese mit aufgeschwemmtem Bauch, kam, wie ein Kind leise vor sich hin jammernd, Schrittchen für Schrittchen näher, wobei er sich fest auf seine Frau stützte, die kleine Neleta, mit dem rebellischen roten Haar, deren muntere grüne Augen weich wie Samt zu liebkosen schienen. Dieser Cañamel! Ständig krank, ständig seufzend, indes seine Frau, täglich hübscher und liebenswürdiger, von ihrem Büfett aus über ganz Palmar und die Albufera herrschte. Woran er litt, das war die Krankheit der Reichen: zu viel Geld und zu gutes Leben. Man brauchte nur seinen Wanst und das rosige Gesicht anzusehen, in dessen Speckfalten die kleine Nase und die Augen ertranken. Ah, wenn er sich, bis zur Hüfte im Wasser stehend, das tägliche Brot mit Reisschneiden verdienen müßte, würde es ihm nicht einfallen, krank zu sein!
    Mühsam setzte Cañamel, ohne Neleta loszulassen, einen Fuß auf die Barke und brummelte gegen diese Leute, die sich über sein Leiden lustig machten, ihm aber nichtsdestoweniger mit einer Dienstbeflissenheit, wie sie auf dem Lande dem Reichen gegenüber üblich ist, einen Sitzplatz einräumten, während seine Frau durchaus nicht schüchtern den Komplimenten über ihr gutes Aussehen die Stirn bot.
    Sie half ihrem Mann einen großen Sonnenschirm aufzuspannen, stellte für eine Reise, die kaum drei Stunden währte, einen Binsenkorb mit Proviant zwischen seine Füße und wandte sich schließlich an den Barkenführer:
    »Gebt gut acht auf meinen armen Paco! Es geht ihm schlecht; er soll eine Zeitlang in seinem Landhäuschen in Ruzafa verbringen, wo ihn gute Ärzte behandeln werden.« Dabei streichelte sie den stöhnenden Giganten, dessen wabbliges Fleisch beim ersten Schwanken des Bootes wie Gallert erzitterte. Der Führer stemmte die ungefüge Stange zum Staken gegen das Ufer, und schwerfällig begann das Fahrzeug den Kanal entlang zu gleiten. Sein Bug, vor dem die Enten flügelschlagend zur Seite stoben, trübte den Wasserspiegel, der die auf dem Kopf stehenden Hütten, die schwarzen Kähne und die strohgedeckten Fischkasten widerspiegelte, deren Enden Holzkreuze schmückten, als wollte man die Aale drinnen dem göttlichen Schutz und Schirm anvertrauen.
    Sobald die Postbarke aus dem Kanal heraus war, suchte sie sich ihren Weg zwischen den Reispflanzungen – ungeheuren, mit bronzefarbenen Ähren bedeckten Inseln aus flüssigem Schlamm. Die Sichel in der Hand, planschten Schnitter durch das Wasser, denen die Nachen, schwarz und schmal wie Gondeln, folgten, um die Garben zu sammeln und nach den Tennen zu schaffen. Inmitten dieser aquatischen Vegetation erhoben sich hie und da die kleinen weißen, von Schornsteinen überragten Gebäude für die Maschinen, die je nach Erfordernis die Felder trockenlegen oder überschwemmen konnten.
    Die hohen Ufer verbargen das Netz der Kanäle, breite Gassen, wo die mit Reis beladenen Barken fuhren. Ihr Rumpf blieb unsichtbar, und die großen dreieckigen Segel glitten über dem Grün der Felder hin, als machten sie ihren Weg auf festem Land.
    Mit Kenneraugen betrachteten die Fahrgäste die Pflanzungen, gaben ihre Meinungen über die Ernte ab und bedauerten das Unglück des Bauern, dem Salpeter den Reis vernichtet hatte.
    Weiter schob sich die Fähre durch stille Wasserarme mit dem goldgelben Ton des Tees. Vom Grunde aufstrebende Pflanzen neigten ihren Haarschweif unter dem Druck des Kiels. Das Schweigen der regungslosen Gewässer vergrößerte jeden Laut, und wenn die Unterhaltung zeitweise aussetzte, hörte man deutlich das mühsame Atemholen des Fieberkranken am Boden, das asthmatische Schnaufen Cañamels, das Knirschen von Masten und Stimmen auf unsichtbaren Booten, die sich vor den Krümmungen der Kanäle ankündigten, um einen Zusammenstoß zu vermeiden.
    Der Barkenführer ließ die Stange für einen Moment im Stich, hüpfte auf den Knien der Fahrgäste zum Heck und machte das Segel los. Die schwache abendliche Brise sollte ihm helfen.
    Man war am See angelangt, und der Horizont erweiterte sich. Auf einer Seite die dunkle Wellenlinie der Pinien der Dehesa, die die Albufera vom Meer trennt – fast jungfräulicher, sich meilenweit hinziehender Wald, in dem die wilden Stiere weiden und in dessen Schatten die großen Schlangen leben, von wenigen gesehen, aber das gruselige Thema
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