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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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den tiefen Tümpel mit Erde zu füllen, die er von weither anfahren mußte.
    Eine Arbeit von Jahren, vielleicht die eines ganzen Lebens, für einen Mann allein! Sein Vater machte sich über ihn lustig; der eigene Sohn Tonet, der Kubaner, streikte, wenn er bisweilen half, nach wenigen Tagen. Aber Toni setzte mit unerschütterlichem Glauben sein Werk fort, nur unterstützt von Borda – ein von seiner verstorbenen Frau angenommenes Findelkind –, die, schüchtern gegen jedermann, bei der Arbeit die gleiche Zähigkeit wie er selbst an den Tag legte.
    »Salud, Onkel Toni! Hoffentlich gibt's bald die erste Reisernte!«
    Doch nur für einen Moment hob der hartnäckige Froner den Kopf, um für die Wünsche der Fahrgäste zu danken.
    Nicht weit von ihm entfernt legte der alte Paloma an einer Reihe von Pfählen Netze aus, die er am nächsten Tage aufholen wollte, und sogleich begann auf der Postbarke die Diskussion, ob er näher an neunzig oder an hundert Jahren wäre.
    Was hatte dieser Mann nicht erlebt, trotzdem er nie aus der Albufera herausgekommen war! Mit was für Persönlichkeiten hatte er nicht verkehrt! ... Und voll Behagen erzählten sie sich seine frechen, von der Leichtgläubigkeit des Volkes noch übertriebenen Vertraulichkeiten mit dem General Prim, dem er bei seinen Jagden auf dem See als Bootsführer diente, und seine Grobheiten gegenüber großen Damen, ja sogar Königinnen. Ohne von der Barke Notiz zu nehmen, beugte sich der Alte über seine Netze und zeigte nichts als die großkarierte Bluse und die schwarze, bis auf die eingeschrumpften, weit abstehenden Ohren gezogene Mütze.
    Der Wind frischte auf. Stoßweise blähte sich das Segel, und die überladeneBarke stellte sich so schräg, daß die auf dem Bord sitzenden Leute naß wurden. Am Bug sang das ungestüm geteilte Wasser mit immer stärkerem Gluck-Gluck: man war mitten in dem ungeheuren Lluent – blau und poliert wie ein venezianischer Spiegel –, auf dessen Grund die Wolken als Flocken weißer Wolle wanderten. Einige von ihren Hunden gefolgte Jäger am Strande der Dehesa marschierten im Wasser auf dem Kopf, und die fernen Dörfer der Küste schienen auf der blanken Fläche zu schwimmen.
    Doch der ständig stärker wehende Wind veränderte die Oberfläche der Albufera. Der See nahm die Farbe des Meeres an, sein Grund verbarg sich, und der mehr und mehr fühlbare Wellengang warf auf den dickkörnigen Muschelsand des Strandes gelblichen Schaum – in der Sonne schillernde Seifenblasen.
    Am Steuer rauschte das Wasser hoch, und in schneller Folge glitten die Hügel der Dehesa mit den Hütten der Feldhüter vorbei, die dichten Vorhänge des Buschwerks, die Gruppen gekrümmter Pinien in den grausigen Verzerrungen gefolterter Glieder. Um die Barke herum schwammen zwei dunkelgefiederte Taucher, die endlose Zeit unter Wasser blieben. Näherte sich die Fähre einer der großen Inseln, so flogen Schwärme von Wasserhühnern und Krickenten auf, langsam, als ahnten sie, daß friedliche Menschen kamen.
    »Prachtvoller Schuß!« äußerten die Männer an Bord begeistert. »Warum ist es uns armen Teufeln verboten, auf all dies Federvieh Jagd zu machen? ...« Und während sie weiter murrten, klang vom Boden herauf das Stöhnen des Fieberkranken und das Seufzen Cañamels, der sich kindisch über die Strahlen der sinkenden Sonne beklagte, die unter seinen Schirm glitten. Zwischen dem zum Meere fliehenden Wald und der Albufera öffnete sich jetzt eine weite Ebene, deren wilde Vegetation dann und wann durch die metallene Platte kleiner Lagunen zerrissen wurde.
    Eine Ziegenherde weidete im Gestrüpp unter der Obhut eines Hirtenknaben, und sein Anblick weckte bei den Kindern der Albufera die Erinnerung an die Legende, von welcher der Name der Ebene herrührte.
    »Die Pampa der Sancha!« sagten die Frauen in ängstlichem Ton, worauf ein Fischer den neugierig gewordenen fremden Reisschnittern bereitwilligst die Geschichte erzählte, die jedem Einheimischen von Kindesbeinen an vertraut war.
    Ein junger Hirte wie der, der dort am Ufer stand, weidete zu andern Zeiten seine Ziegen auf dieser selben Stelle. Aber das war vor vielen, vielenJahren... so vielen, daß keiner der Greise, die noch in der Albufera leben, den Hirten gekannt hatte – nicht einmal der alte Paloma.
    Wie ein Wilder hauste der Junge in der Einsamkeit, und die Fischer auf dem See hörten an stillen Tagen häufig seinen Ruf:
    »Sancha! Sancha!...«
    Sancha war eine kleine Schlange, die einzige Freundin, die
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