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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition)
Autoren: Anya Lipska
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nicht gerade billig. Doch sie hatten sich dort verabredet, ohne den Grund eigens erwähnen zu müssen – man konnte sich hier in aller Ruhe und ohne belauscht zu werden unterhalten. Während der mit einer weißen Weste bekleidete Barmann die Bestellung zurechtmachte, musterte Janusz die in Öl gemalten Porträts früherer polnischer Präsidenten an den Wänden des georgianischen Salons mit seinen hohen Decken. In den Jahren zwischen 1939 bis zu den Wahlen 1989 hatte sich das Kabinett der polnischen Exilregierung in genau diesem Raum versammelt. Wenn er das nächste Mal herkam, würde ihm vermutlich die Visage von Zamorski, diesem Mistkerl, entgegengrinsen. Die Wahllokale hatten zwar erst vor einer Stunde geschlossen, doch es hieß allgemein, dass der Sieger bereits feststand.
    Janusz brachte die Getränke an einen Tisch in der Ecke – angesichts seines kniehohen Gipsverbandes ein akrobatisches Unterfangen. Er erzählte Pietruzki das Neueste von Weronika – laut Aussage der Ärzte war sie über den Berg – und wollte gerade anfangen zu berichten, was Pawel Adamski ihm über Zamorski erzählt hatte, als der alte Mann ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen brachte.
    »Aber du darfst die Ohren nicht davor verschließen«, protestierte Janusz leise, aber verärgert. »Wahrscheinlich ist der Drecksack inzwischen Präsident – und die Kirche hat geholfen, ihn dazu zu machen.«
    Der Priester schloss die Augen. Seit den jüngsten Ereignissen wirkte der alte Mann geschwächt, dachte Janusz plötzlich besorgt.
    »Ich weiß alles«, sagte der Priester ruhig.
    Janusz starrte ihn an.
    »Aber bevor du anfängst zu glauben, dass ich oder die Kirche an dieser hinterhältigen konspiracja beteiligt waren – der arme junge Mann selbst hat es mir anvertraut.«
    »Pawel?«, hakte Janus ungläubig nach. »Wann?«
    »Vorgestern Abend, ehe er zu dir gekommen ist, hat er mich in der Kirche aufgesucht, als ich gerade abschließen wollte.« Der Priester betrachtete die Tischplatte. »Da ich ihm angemerkt habe, wie aufgewühlt er war, habe ich mich bereit erklärt, ihm die Beichte abzunehmen.«
    Der Priester fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als wolle er auslöschen, was Pawel ihm an jenem Abend in einer zweistündigen Beichte gestanden hatte. »Nach deinen Worten am Telefon zu urteilen, ist dir bereits bekannt, dass Zamorski sich in sündiger und verabscheuungswürdiger Weise an hilflosen Kindern vergangen hat«, fuhr er fort, und seine Züge verhärteten sich. »Doch Pawel wollte über die Gewalttaten sprechen, zu denen er sich selbst in seiner Rachsucht hat hinreißen lassen.« Er seufzte verzweifelt. »Im Grunde seines Herzens war er kein schlechter Mensch. Ich hoffe nur, dass ihm mein Rat wenigstens eine kleine Hilfe war.«
    Schweigend saßen sie eine Weile da und gedachten Adamskis beklagenswerter Kindheit und der letzten qualvollen Stunden seines Lebens.
    »Was hast du jetzt vor, ich meine, wegen Zamorski?«, fragte Janusz.
    »Was kann ich schon groß tun?«, entgegnete der Priester und sah Janusz müde an. »Du weißt, dass ich das Beichtgeheimnis nicht verletzen darf, selbst nicht nach dem Tode eines Menschen. Außerdem dürfte es die Kirche angesichts der aktuellen Ereignisse schwer haben, jemanden eines solchen Verbrechens zu bezichtigen.« Schicksalsergeben hob er eine magere Hand. »Selbst wenn wir auch nur die Spur eines Beweises gegen ihn hätten.«
    Also würde Zamorski ungeschoren davonkommen, dachte Janusz. Und falls Radomil nicht überredet werden konnte, seinen Geldgeber ans Messer zu liefern, galt das Gleiche auch für Nowak. Im nächsten Moment fiel ihm noch etwas ein, das Pietruzki unbedingt erfahren musste.
    »Weißt du, dass es Zamorski war, der Marek Kuba verraten hat?«
    »Er hat Marek verraten ? Bist du sicher?«, hakte Pater Piotr mit schreckgeweiteten Augen nach.
    Janusz nickte. »Es stand alles in der SB -Akte. Zamorski hat die Geheimpolizei gewarnt, er werde eine wichtige Predigt halten, und ihnen sogar gesagt, wo sie ihn am besten erwischen.« Plötzlich erschöpft, ließ er sich im Polstersessel zurücksinken. »Er hätte ihn genauso gut hinrichten können.«
    Plötzlich ertönte lauter Jubel, der in der gedämpften Atmosphäre blechern und schrill klang. Der Barmann, der – offenbar auf die Bitte einer Gruppe von Gästen hin – einen kleinen Fernseher hinter dem Tresen eingeschaltet hatte, lächelte entschuldigend und drosselte die Lautstärke zu einem Flüstern. Janusz und der Priester konnten
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