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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition)
Autoren: Anya Lipska
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nicht anders, als zum Bildschirm zu schauen, wo die Feierlichkeiten in der Zentrale der Aufbau-Partei gezeigt wurden.
    Als Nächstes war eine Aufnahme von Zamorski zu sehen, wie er, mit einem eleganten Anzug bekleidet, früher am Tag seine Stimme abgab und dabei ruhig und gelassen wirkte. Ein Lauftext am unteren Bildschirmrand meldete die neuesten Umfrageergebnisse, denen zufolge 65 Prozent der Stimmen auf ihn entfielen.
    Das verächtliche Schnauben, ausgestoßen von dem Hünen, der neben dem Priester saß, sorgte für verstohlene Blicke von den Gästen am Tresen.
    »Wenn beide Kammern ihn unterstützen, kann er eine Generation lang an der Macht bleiben«, stellte Janusz fest.
    »Ich habe immer noch engen Kontakt zu einigen Mitgliedern von Solidarność , die gut mit Marek befreundet waren«, sagte der Priester und zupfte sich am Ohrläppchen. »Einige von ihnen haben wiederum Verbindungen zur Partia Renasans . Es ist nur recht und billig, dass sie von Zamorskis Rolle in diesem Mordkomplott erfahren.« Seine Lippen zitterten, als er sich an den grausigen Tod seines Priesterkollegen erinnerte. »Vielleicht nützt es ja etwas.«
    Als die beiden Männer, in bedrücktes Schweigen versunken, ihre Gläser leerten, bekam Janusz plötzlich das Bedürfnis, den alten Mann aufzuheitern. »Ich kriege in ein paar Wochen Besuch«, brummte er.
    »Marta?«, fragte der Priester und zog die Augenbrauen hoch.
    »Nein, Pater, Bobek. Er bleibt vierzehn Tage.« Janusz spürte, wie sich sein Mund zu einem albernen Grinsen verzog.
    Die Miene des Priesters erhellte sich, doch dann runzelte er die Stirn. »Ist es gut, ihn so lange aus der Schule zu nehmen?«
    Janusz sah den alten Mann finster an. »Ich stelle ihm ein paar Matheaufgaben, das klappt schon.«
    Nachdem Pater Piotr sich verabschiedet hatte, fing Janusz an, sich ordentlich zu betrinken. Doch schon zehn Minuten später wurde er von einer lauten Stimme aus seinen Gedanken gerissen.
    »Cze ść , Scheißkerl!« , rief Oskar und ließ sich in den Sessel fallen, in dem eben noch der Priester gesessen hatte.
    »Schrei nicht so rum, Oskar«, murmelte Janusz. »Du bist hier nicht auf der Baustelle.«
    »Tut mir leid, Leute.« Oskar beschrieb eine ausladende Geste in den Raum hinein. Als er feststellte, dass die allgemeine Aufmerksamkeit dem Fernseher galt, spähte er über Janusz’ Schulter hinweg zum Bildschirm. »Was ist denn los?«, fragte er Janusz. Im nächsten Moment schossen seine Augenbrauen nach oben. »Sag jetzt nicht, ich hätte den Eurovision Song Contest verpasst?«
    »Das ist doch nicht dein Ernst, Oskar!«, entsetzte sich Janusz und beobachtete, wie sein Freund sich den Inhalt eines winzigen Silberschälchens voller Nüsse in den Mund kippte. »Weißt du etwa nicht, dass heute Wahl ist?«
    »Ach, Politiker «, erwiderte Oskar wegwerfend, wobei er Nusskrümel über den Tisch spuckte. »Wählen gehe ich nur über meine Leiche, damit ermutigt man sie nur.« Er beugte sich zu seinem Freund vor. »Zum Lügen braucht man immer zwei – einen, der lügt, und einen, der den Mist glaubt.«
    »Von wem ist das?«, erkundigte sich Janusz.
    »Von Homer Simpson«, entgegnete Oskar mit der Miene eines Menschen, der aus einer unwiderlegbaren Quelle zitiert.
    »Aber egal«, fuhr er fort und klopfte sich das Salz von den Händen. »Holst du mir jetzt einen beschissenen Drink, oder soll ich vor Durst auf dem Teppich zusammenbrechen?«
    Während Janusz die Runde bezahlte, spielte er kurz mit dem Gedanken, Oskar von dem ermordeten Gangster zu erzählen, den sie unwissentlich als Olek nach Polen gebracht hatten. Doch er entschied sich dagegen. Da Radomil – und zweifellos auch die Pistole, mit der er sein Opfer ins Jenseits befördert hatte – sich nun in Polizeigewahrsam befand, war Nowaks Versicherungspolice vermutlich abgelaufen. Also war es viel zu gefährlich, Oskar etwas anzuvertrauen, was er nicht unbedingt wissen musste.
    Um neun Pfund ärmer kehrte Janusz mit den Getränken zum Tisch zurück.
    »Also, kolego «, begann Oskar mit einem verschlagenen Grinsen. »Jetzt rate mal, wer heute im Stratford Café aufgekreuzt ist.«
    »Wer?«
    »Ach, nur Kasia«, antwortete Oskar und ließ seinen Drink im Glas kreisen.
    »Aha«, meinte Janusz. Obwohl er so tat, als beobachte er die Vorgänge im Fernsehen, hatte er Schmetterlinge im Bauch. »Wie geht es ihr?«
    Oskar beugte sich vor. »Sie hat in diesem Club gekündigt!«, erwiderte er in einem durchdringenden Flüstern. »Da, wo sie den striptiz
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