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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die
Autoren: Ulrich Peltzer
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und bot Harry eine Zigarette an. Er zierte sich.
    »Wat soll’n dit?«
    Schulz lächelte und zog die Zigarette aus der Packung.
    »Na also«, sagte Franke und gab ihm Feuer.
    Der Polizeiwagen verschwand aus Lacans Rückspiegel. Er verdrehte den Kopf, aber der grüne Bus blieb am Straßenrand stehen. Die Garotte um seinen Hals sprang auf, und Lacan schluckte verkrampft.
    »Brems’ nur noch, wenn’s gar nicht anders geht«, sagte er zu sich selbst. Er verfluchte seinen Verfolgungswahn, am liebsten hätte er sich wegen dieser Schwäche geohrfeigt. Seine Zähne mahlten aufeinander, und die Knöchel der Hände um das Lenkrad traten weiß hervor. Dann trat er das Pedal bis zum Anschlag durch, überholte mit hoher Geschwindigkeit die Autokolonne und bog so schnell in den breiten Kreisverkehr um die Siegessäule, daß er gegen die Tür gedrückt wurde, Granulat prasselte vor die Kotflügel. Er lenkte gegen und drosselte den Motor.
     
     
    Im Briefkasten lag ein blauer Brief. Lacan hielt ihn gegen das Flurlicht. Durch das dünne Papier schien der klobige Schriftzug: »Deutsche Bank Berlin«, und Lacan steckte ihn ungelesen in den Kasten zurück.
    Er würde einige Sachen zusammenpacken müssen, die Frage war nur, welche und wozu?
    Im ersten Stock war der gewöhnliche Streit zwischen Vater und Tochter. Lacan ging rasch weiter, er wollte nicht mehr Zeuge solcher Szenen sein. Das Schloß der Wohnungstüre klemmte. Er drehte den Schlüssel gegen einen Widerstand und riß an der Klinke, bis die Türe endlich schwerfällig aufsprang. Der Rahmen war verzogen, rechts oben staken Splitter aus einem Bruch im Holz. Lacan stieß die Türe vorsichtig auf und lauschte in die Diele, kein Ton in der frühen Dämmerung des Januarnachmittags, nur das Minutenlicht klickte im Flur. Er ging ins Schlafzimmer. Durch die Rippen der Jalousie fiel noch genügend Licht, um das Durcheinander schemenhaft zu beleuchten. Die Matratze war aus dem Bettrahmen gerissen und mit einem Messer zerstochen worden. Die Füllung quoll aus den unregelmäßigen Schnitten wie Gedärm. Im Raum verteilt lagen Jacken, Hosen und Pullover. Selbst die Bücher hatte jemand aus dem Regal gefegt und durchwühlt. Lacan stand angewurzelt auf der Schwelle, während seine Hand zum Lichtschalter tastete. Die Neonröhre an der Decke flackerte zögernd auf, und dann sah er den Schatten.
    Er wollte sich umdrehen, aber der Schatten hatte ihm schon einen harten Schlag in die Nieren gegeben, der Lacan den Atem nahm. Er taumelte ins Schlafzimmer, seine Füße verhedderten sich mit der Kleidung auf dem Boden, doch ehe er fiel, packte ihn jemand am Hals und preßte einen kalten Gegenstand unter sein Jochbein. Die Haut schob sich nach oben, als schwelle sie an, und Lacan starrte mit entsetzt geöffneten Augen auf den Lauf der Pistole.
     
    Franz Belasc liebte seine kleine Beretta, die in jeder Tasche verschwand wie ein Talisman. Lacan schnappte wie bei einem Erstickungsanfall nach Luft und hielt sich verkrampft an Belasc fest, weil er fürchtete, nach hinten ins Bodenlose zu gleiten. Belasc verstand das Spiel. Seine Pistole wanderte von der Wange zu den Lippen, Lacans Zähne schlugen zitternd auf den Stahl.
    »Wo ist es denn? Ich hab’s net gefunden, obwohl ich mir alle Mühe gegeben habe«, sagte Belasc und stieß Lacan von sich, der benommen auf die Erde fiel. Belasc ging vor ihm auf und ab, dann stellte er sich breitbeinig vor Lacan und zog ihn hoch.
    »Ich glaub’, ich verlier’ die Geduld, mein Freund!«
    Er ließ ihn mitten im Zimmer stehen und wanderte in die Küche. In der Türe lag ein blaues gesprungenes Sieb, das er wütend zur Decke kickte. Lacan konnte sich nicht rühren. Belasc machte kehrt.
    »Gehn wir’s zusammen suchen?«
    »Wer sind Sie?« stammelte Bernhard, der sich nicht an Belascs Gesicht auf der Vernissage erinnerte.
    »Entschuldigen ’s, des hab’ ich ganz vergessen, Franz Belasc mein Name.«
    Er zog seinen Wildlederhandschuh aus und gab Lacan die Hand. Ohne eine Miene zu verziehen, streifte er den Handschuh wieder über, legte die Finger ineinander, um den Sitz zu prüfen, und dann griff er blitzschnell in Lacans Haare und riß seinen Kopf zurück. Ein gemeiner Schmerz fuhr durch Bernhards Nacken. Belasc näherte sich ihm, als wolle er ihn in dieser verdrehten Lage küssen, und Lacan spürte Belascs trockenen Atem bei jedem Wort über seinem Gesicht.
    »Wo is’ das Bild?«
    »Ich hab’s doch gar nicht hier«, stöhnte Lacan.
    Belasc nickte, als habe er jetzt
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