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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die
Autoren: Ulrich Peltzer
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ganze Geschichte. Fast die ganze Geschichte, denn Florence erwähnte er nicht. Als er endete, waren sie wieder vor dem Ausgang. Irene lachte. Sie lief durch das Drehkreuz und hielt es von außen fest. Lacan steckte seinen Kopf durch die Stangen und wimmerte:
    »Asylrecht, gebt Asylrecht.«
    Irene ließ ihn durch.
    »Du darfst nicht vergessen, ich bin nicht Maureen O’Hara.«
    »Und wir sind nicht in einem Buch von Victor Hugo.«
    »Leider nicht.«
    »Was machst du jetzt?« fragte er.
    »Ich fahre nach Hause und sage Raffael, er soll seine Sachen packen.«
    Lacan lächelte sie überrascht an.
    »Vorsichtshalber. Er braucht sicher ein paar Tage«, sagte Irene schnell.
    »Und du?«
    Statt einer Antwort packte sie seinen Kopf und küßte ihn leidenschaftlich, bis der Kassierer aus seinem Kasten rief:
    »So valiebt müßte man noch ma sein!«
    »Ich rufe dich an«, sagte Lacan und lief quer über den zugigen Platz; Irene hielt noch einen Augenblick die Hand ausgestreckt, dann wickelte sie den langen schwarzen Schal um ihren Hals und schnappte im Gehen nach den Wölkchen ihres Atems.
     
    Der Geschäftsführer des »Pik 7 « saß an seinem Schreibtisch und aß mit den Händen Pizza aus einem Pappkarton, ein Fernsehgerät flimmerte stumm in der Ecke.
    »Ma ma aus«, sagte er kauend, und Eddie stieß Assidertürke an, der ohne Widerspruch in die Ecke schlich. Vor der Pappschachtel mit der zerrupften Pizza lag der Scheck. Der Geschäftsführer wischte sich den Mund mit einem befleckten Küchenhandtuch und ziepte zwischen den Zähnen.
    »Mann, eh, der is ja noch nich ma von ihm!«
    Eddie zuckte zusammen.
    »Naja, ick meen, wir dachten …«
    Er suchte Assis Blick, doch Assi blieb zaudernd in dem dunklen Winkel.
    »Det Denken kannste den Pferden überlassen, die ham jrößere Köppe!« schrie der Mann, wobei er sich mit der flachen Hand klatschend vor die Stirn schlug. Er tippte mit ausgestrecktem Zeigefinger vor Eddies rachitische Brust.
    »Ick will cash, Mann, und keene Schecks von weiß ick wem.«
    Eddie nickte betreten.
    »Für wat zahl ick euch eijentlich?«
    Er faltete den Scheck und steckte ihn in Eddies Tasche.
    »Diss’ deine letzte Schankse, mir zu beweisen, dassu keen Idiot bis’. Deine allerletzte.«
    »Dit war so«, begann Assi ungeschickt den Versuch einer Erklärung.
    »Fresse, Mann, mit dir spricht keener!«
    Er kniff Eddies Ohrläppchen zwischen den Fingernägeln. »Ihr jeht mit dem Sack auf ’ne Bank, da löst er den Scheck ein, ihr wartet draußen und er jibt euch det Jeld.«
    Der Mann gab Eddie einen Klaps auf die Wange.
    »Vastanden?«
    Sie nickten. Der Geschäftsführer des »Pik 7 « ging zum Fernsehgerät und schaltete es wieder ein. Eddie und Assidertürke bewegten sich langsam zur Türe, als erwarteten sie einen abschließenden Fluch, doch der Mann beachtete sie nicht mehr. Er drehte seinen Stuhl zum Bild und legte die Beine auf den Tisch.
     
    Harry Schulz und Gerd Franke fuhren in ihrem Funkwagen um den Lützowplatz. Der Vormittag war angenehm ereignislos gewesen: ein leichter Verkehrsunfall, eine hilflose Person, ein Wohnungseinbruch.
    »Wat machste im Urlaub?« fragte Franke. Seit Dienstbeginn versuchte er, seinen Kollegen durch Witze und gemeinsame Erinnerungen auf andere Gedanken zu bringen.
    »Keine Ahnung«, antwortete Schulz barsch. Noch einmal drei Wochen Formentera würde er nicht durchstehen.
    »Man sollte jetzt buchen«, fuhr Franke ungerührt fort, »denn jibt et später keene Schwierigkeiten.«
    »Kann sein. Mir ejal.«
    »Laß dich doch scheiden, denn krisste ooch keen Magenjeschwür.«
    »Hab ick schon«, raunzte Schulz. »Jeht dich jarnüscht an!«
    »Denn heul mir nicht die Hucke voll.«
    Sie bogen in die Hofjägerallee, an deren Ende die vergoldete Siegessäule in den Winterhimmel ragte.
    »Guck ma, der Opel da, da jeht det Bremslicht nich’«, sagte Harry Schulz in einem Anfall von Diensteifer.
    »Wo?«
    »Da, auffer zweiten Spur.« Schulz wies über das Lenkrad auf den Wagen, der vor ihnen an der Ampel hielt.
    Als Bernhard Lacan die Polizei im Rückspiegel sah, dachte er einen Augenblick daran, Gas zu geben, Verfolgungsjagd quer durch die Stadt.
    Gelb, grün, er fuhr langsam an. Es durfte doch nicht an einem Bremslicht scheitern, seine Kehle schnürte sich zu.
    »Na und?« fragte Franke.
    »Mir is det ooch ejal«, sagte Schulz und sank in den Sitz.
    »Willste ’ne Zigarette?«
    »Ick rooch nich’ mehr«, sagte Schulz trotzig.
    Franke lenkte den Funkwagen auf die Standspur
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