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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die
Autoren: Ulrich Peltzer
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schuldest mir 1360 Mark!«
    Das war ein halber Niederschlag, es ging nur noch darum, über die Runden zu kommen. Valeska wurde lauter und vorwurfsvoller.
    »Alexandra braucht neue Klamotten. Außerdem hab’ ich ’ne Mieterhöhung gekriegt.«
    Ich auch, dachte Lacan.
    »Also basta, Geld her. Ich laß mich nicht länger verarschen.«
    Valeska ging in den Infight. Lacan versuchte sich zu befreien, und trat zwei, drei Schritte zurück. Hinhalten, dachte er.
    »Hör mal, Walli, ich will dich jetzt wirklich nicht abwimmeln …«
    »Soweit kommt’s noch!«
    »… aber ich muß zum Sender …«
    »Das ist mir völlig egal. Ich will nur das, was mir zusteht.«
    Sie gab nicht nach. Lacan wies mit einer galant verunglückten Handbewegung in seine Wohnung. »Nimm dir, was du brauchst.«
    Das war ein rechter Haken auf die Leber. Valeska rang nach Worten. Lacan blinzelte mit den Augen und überlegte, ob er mit ihr noch einmal ins Bett gehen sollte, aber der Gedanke war abwegig, so wie sie vor ihm stand, in ihrem weiten schwarzen Kleid. Sie hatte die Fäuste geballt in die Taschen gesteckt. Er mußte schnell etwas sagen, bevor sie wieder auf ihn losging.
    »Paß auf, ich laß mir heute einen Vorschuß geben, den bringe ich dir morgen vorbei. In Ordnung?«
    Sie senkte den Kopf und fuhr gedankenverloren mit einem Fuß über den Teppich.
    »Ach Bernhard, das kenn’ ich doch schon.« Der Angriffsschwung war weg. Er nahm sie bei den Schultern und versuchte, in ihre Augen zu sehen.
    »In Ordnung, Walli? Du kriegst das Geld, spätestens morgen. In Ordnung, ja?«
    Sie hob den Kopf und schaute ihn an. Sie zögerte. Lacan schüttelte sie vorsichtig.
    »Los komm, Valeska. Ich versprech’s dir.«
    »Na gut. Zum letztenmal.« Sie lächelte. »Oder besser noch, ich komm’ gleich mit zum Sender.«
    Lacan verdrehte die Augen. »Aber Valeska, ich bitte dich!«
    Sie nickte und löste sich aus seinem Griff.
    »Gut, ich vertrau’ dir, obwohl alles dagegen spricht.« Sie wollte gehen. »Überweist du das Geld oder bringst du es vorbei?«
    »Ich überweis’ es«, sagte Lacan hastig. Das gab ihm eine Woche Zeit. »Noch immer dieselbe Nummer?«
    »Ja.« Valeska ging langsam zur Türe, die Arme vor der Brust verschränkt. Auf der Schwelle drehte sie sich um und warf einen Blick auf die Unordnung.
    »Übrigens, richtig nett hast du es jetzt bei dir, hat dir das schon mal jemand gesagt?«
    »Ich weiß, ich hab’ mir bei der Einrichtung auch Mühe gegeben.«
    »Das sieht man auf den ersten Blick. Ich warte auf mein Geld. Ciao.« Sie verschwand auf der Treppe. Punktsieg.
    Bernhard Lacan steckte das Geld aus der Kleingeldschüssel ein, kämmte sich, zog einen schwarzen Pullover und seine Lederjacke an und ging auch.
     
    Im Briefkasten war eine Ansichtskarte aus Neapel. Vengo ai primi di febbraio, Arturo. Soll er kommen, dachte Lacan und schob die Karte in den Kasten zurück. Er verließ das Haus durch den Hof, stieg über ein Mäuerchen auf ein Trümmergrundstück und fand sich auf einer Querstraße zur Kantstraße, auf die er von seinem Bett geblickt hatte. Er mußte Siebert aus dem Weg gehen, der am Hinterkopf ein drittes Auge besaß und ihn zur Rede gestellt hätte, den Zettel vor seinem dicken, roten Gesicht wedelnd: »So jeht dit aba nich, Herr Lakann!«
     
    Das diesige Grau eines Berliner Januarhimmels spannte sich über die Stadt. Vermummte Passanten eilten frierend aneinander vorbei. Auf den Bürgersteigen lag gefrorener Schnee, der an einigen Stellen vom Kot der Hunde dunkel gefärbt war. An den Ampeln bildeten sich kleine Abgasskulpturen, die beim Anfahren der Wagen schnell verflogen. Ein Liebespaar hatte sich einen langen Schal um die Hälse gewickelt und küßte sich alle Meter. Lacan drehte sich nach ihm um, er mußte sich nach allen Liebespaaren umdrehen.
    Das Türschloß des Opels war eingefroren. Lacan hielt ein Einwegfeuerzeug an das Blech, und die Flamme schlang sich blau um den Griff, bis er sich die Finger verbrannte und es fallen ließ. Bevor er losfuhr, zündete er sich eine der Notzigaretten an, die im Handschuhfach lagen. Im Autoradio war ein Interview mit dem Wirtschaftsminister, der für das Frühjahr einen neuen Aufschwung prognostizierte. Nach ein paar hundert Metern bog Lacan in die Kantgaragen. Aus einem Verschlag hinter den Zapfsäulen trat der Tankwart in einem verölten blauen Overall. Es war gleichgültig, zu welcher Tages- oder Nachtzeit man hier vorfuhr, es war immer derselbe Hüne, der schwerfällig nach
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