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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die
Autoren: Ulrich Peltzer
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Fach zurück.
    »Wohin soll ich fahren?« fragte Lacan.
    »Erst einmal geradeaus, ich sag’ dir schon, wann’s abgeht.«
    Die frühe Nacht war gekommen, und die Straßen glänzten im Licht der Bogenlampen. Plötzlich tönte ein Hupkonzert aus einiger Entfernung zu ihnen. Belasc blickte überrascht zu Lacan.
    »Türkische Hochzeit«, sagte Bernhard lakonisch. Belasc suchte die Beretta in seiner Tasche.
    »Die machen dann immer einen Corso. Einmal hupend quer durch die Stadt, und das Brautpaar vorneweg.« Belasc wandte den Kopf. Der Lärm näherte sich vielstimmig, und dann rauschten zehn oder zwölf Limousinen vorbei, die in einem verrückten Chor heulten, schnarrten, tröteten. Auf der Motorhaube des ersten Wagens saß breitbeinig eine große, weißgekleidete Puppe in einem Blumenkranz; ihr verschmutztes Kleid flatterte im kalten Wind. Das Hupen verlor sich in der Ferne.
    »Machen die das immer so?« fragte Belasc.
    »Soweit ich weiß, ja«, antwortete Lacan.
    Sie fuhren die Leibnizstraße hoch, bis Belasc befahl:
    »Nächste rechts und einen Parkplatz suchen!«
     
    Pieter van Steenbergen saß im Salon auf der spätgotischen Truhe und blätterte in einem Buch. Er trug einen weinroten Hausrock, der von einer Kordel zusammengehalten wurde.
    Belasc und Lacan standen in der Türe und warteten auf ein Zeichen. Der Holländer legte das Buch beiseite und sah zu ihnen hoch, Belasc stieß Lacan in das Zimmer.
    Steenbergen breitete jovial die Arme aus.
    »Legen Sie ab. Machen Sie sich’s bequem.«
    Belasc zog einen Sessel heran und drückte Lacan hinein.
    »Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?«
    Lacan rutschte auf seinem Platz unruhig hin und her.
    »Einen Cognac vielleicht?«
    Sein Blick wanderte von Steenbergen zu Belasc, der eine Flasche und Gläser aus der Truhe holte. Steenbergen setzte sich auf die Sessellehne.
    »Und jetzt erzählen Sie uns mal die ganze Geschichte.«
    Lacan konnte ihm nicht in die Augen sehen, sei es aus Scham oder Angst. Hastig trank er den Cognac, und Steenbergen nahm ihm das Glas aus der Hand.
    »Noch einen?« Lacan schüttelte den Kopf.
    »Wer hat Sie denn losgeschickt?«
    »Niemand. Wer sollte mich losschicken?«
    Steenbergen steckte die Hände in die aufgesetzten Taschen seines Hausrocks und stand auf.
    »Ich dachte … die Versicherung …«, begann Lacan.
    »Und warum haben Sie mich heute morgen angerufen?« unterbrach ihn Steenbergen kühl.
    »Heute morgen dachte ich, ohne die Versicherung ist es einfacher«, sagte Lacan, und er hörte sich sprechen, als laufe ein Tonband.
    »Du denkst zuviel«, sagte Belasc, der hinter ihm stand. Steenbergen lachte.
    »Er denkt nicht, Franz.«
    Seine Arroganz machte Lacan Mut.
    »Wie haben Sie mich gefunden?«
    »Es gibt nur drei Lacans in Berlin, sofern man dem öffentlichen Telefonbuch glaubt. Eine ist Lehrerin am französischen Gymnasium, einer ist Gastronom, einer sind Sie.«
    Lacan biß auf seine Lippen. Nun setzte sich Belasc zu ihm auf die Lehne.
    »Hat Mertens dich beauftragt?«
    »Ich weiß gar nicht, woher Mertens weiß, daß ich das Bild habe.« Florence verschwieg er.
    »Wo ist denn das Bild?«
    »An einem sicheren Ort«, sagte Lacan, was leichtsinnig war.
    Belasc riß an seinen Haaren.
    »Franz, bitte«, sagte Steenbergen und nippte an seinem Cognac. Belasc ließ ihn los, und Lacan spürte wieder das Pochen in seinem Genick.
    »Was hatten Sie sich so vorgestellt?«
    Als Lacan nicht antwortete, ergänzte Steenbergen:
    »Preislich.«
    »Hunderttausend«, sagte Lacan, obwohl er ahnte, daß der Oelze in seiner Situation wertlos wie eine Kinderzeichnung war.
    Belasc zwang sich zu lachen.
    »Hunderttausend Watschen meint er sicher!« Er schlug mit der flachen Hand links und rechts in Lacans Gesicht. This is not a love song, dachte Bernhard und suchte nach einem Taschentuch, weil seine Nase blutete.
    »Franz, das Leder!« rief Steenbergen.
    Es klingelte an der Eingangstüre.
    »Wir sind komplett«, sagte Steenbergen leise, und Belasc verließ den Salon, um zu öffnen.
    Lacan versteckte sich hinter dem Taschentuch vor seinem Gesicht, Steenbergen saß mit überschlagenen Beinen auf der Truhe, Florence Blumenfeldt und Wilhelm Mertens standen mitten im Raum und suchten sich zurechtzufinden, in Belascs Hosentasche beulten die Konturen der Beretta obszön den Stoff. Als erster fand Mertens die Sprache wieder.
    »Was wird hier gespielt?«
    Er mußte sich fast im Kreis drehen, um alle Anwesenden einmal anzusehen. Lacan blickte flüchtig zu Florence,
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