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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder
Autoren: Friedrich Ani
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schwarzen Pullover trug.
    »Ja?«
    »Sind Sie der, der mir damals meinen Mann zurückgebracht hat?«
    Nach einem Schweigen sagte Süden: »Wer bin ich?«
    »Der Polizist.«
    Er schwieg.
    »Sie können ruhig mit mir reden. Der Alois lebt nicht mehr.«
    Ihre Gesichtshaut sah aus wie gelbes Löschpapier, Süden musste an seinen ehemaligen Kollegen aus der Rablstraße denken.
    »Dämmert’s?« Sie zeigte mit dem Finger auf ihn. »Ich hab Ihre Narbe wiedererkannt, da am Hals, und die blaue Kette auch. Den blauen Stein halt.« Sie beugte sich vor. »Das ist ein Vogel.«
    »Ein Adler.«
    »Dann sind Sie’s.«
    »Ja.«
    »Der Herr …«
    »Süden.«
    »Natürlich. Süden. Den Namen hab ich nicht mehr gewusst, dabei ist er so einfach. Nur an die Narbe hab ich mich erinnert und an die Kette. Haben Sie schon Feierabend?«
    »Ich arbeite nicht mehr bei der Polizei.«
    »Ach so?« Sie lehnte sich zurück. »Schallner heiß ich, Elfriede Schallner. Haben Sie vergessen.«
    »Ja.«
    »Das ist nicht schlimm.« Nach einer Pause fügte sie hinzu: »Leider zu spät.«
    »Was ist zu spät, Frau Schallner?«
    »Dass Sie nicht mehr bei der Polizei arbeiten.«
    »Das ist zu spät.«
    »Ja, weil, wenn mein Mann noch leben würd und Sie wären nicht bei der Polizei gewesen, dann hätten Sie meinen Mann auch nicht zurückbringen können. Das ist logisch, oder nicht, Herr Süden?«
    »Dann hätte ihn ein anderer zurückgebracht.«
    »Na, na«, sagte Frau Schallner und wedelte mit dem Zeigefinger. »So einen wie meinen Mann, den findet niemand. Nur Sie. Das war Pech.« Sie schaute ihn mit undurchdringlicher Miene an.
    Bevor sie auf ihren Mann zurückkam, sagte sie: »Schmeckt Ihnen das, was Sie da essen?«
    »Ja.«
    »Sauberes Durcheinander.«
    »Sie dürfen kosten, wenn Sie möchten.«
    »Kosten? Nein.« Sie hob die Tasse und stellte sie wieder hin. »So ein Zufall, dass wir uns hier treffen.«
    Was er aß, schmeckte ihm, obwohl das Gemisch nach nichts schmeckte.
    Er hatte bloß Hunger und an einem vertrauten Platz sitzen und an die Kinder denken wollen, die ihm begegnet waren, an Fanny und Adrian, an die einsam-heiligen Verbündeten.
    »Herr Süden, jetzt verrat ich Ihnen was.« Sie tupfte sich mit der Papierserviette den Mund ab, legte die Serviette auf den Teller und zupfte wieder an ihrer Jacke. »Hören Sie mir zu? Sind Sie anwesend?«
    »Ich bin hier«, sagte er. Etwas in seinem Bauch rang mit etwas anderem.
    »Von mir aus hätten Sie meinen Mann damals nicht zurückbringen müssen«, sagte die Frau, die Hände im Schoß, mit gestrecktem Rücken. »Das hat keinen Sinn ergeben, der Mann wollt weg, und wahrscheinlich hat er ausnahmsweise mal was richtig gemacht. Aber ich bin selber schuld. Es war ja alles mein Fehler. Ich war der Depp, ich hab ihn als vermisst gemeldet. Wieso hab ich das getan?«
    »Sie mussten es tun, Frau Schallner«, sagte Süden.
    »Ach, wieso denn?«
    »Er war Ihr Mann.«
    »Sie sind Polizist, Sie müssen so was sagen.«
    »Ich bin kein Polizist mehr.«
    »Einmal Polizist, immer Polizist, das ist wie bei der Feuerwehr. Sie riechen dauernd irgendwo einen Brandgeruch, sie sind dauernd im Einsatz, sie haben den Helm praktisch in der Tasche. Also reden Sie sich nicht raus, Herr Süden, so schlimm war das alles auch wieder nicht. Außerdem ist der Alois unter der Erde. In die Türkei. Der wollt allen Ernstes in die Türkei, wissen Sie das noch? Die hatten doch den Yilmaz in der Truppe, der war damals der einzige Türke bei der Münchner Berufsfeuerwehr. Und der Yilmaz hatte einen Bruder, irgendwo in der Türkei unten, am Meer, das weiß ich noch, der Name von der Stadt fällt mir nicht mehr ein.«
    »Mersin«, sagte Süden, als hätte er die Akte gestern geschlossen.
    »Mersin«, sagte Frau Schallner. »Mersin am Meer, Sie haben recht. Da wollt er hin, der Alois. Aussteigen, mit zweiundsechzig! Mersin. Weit ist er nicht gekommen, bis ins Westend, da hat’s ihn zerbröselt. Da lag er im Zimmer von dem Yilmaz und hatte Schüttelfrost und vierzig Fieber. Wahrscheinlich die Aufregung. Wenn er nicht krank geworden wär und vier Tage im Bett hätt liegen müssen, wär er weg gewesen. Dann hätten nicht mal Sie ihn gefunden. Und Sie haben ihn auch nur gefunden, weil Sie so stur sind.«
    »Ich bin nicht stur.«
    »Sie waren so stur, dass Sie den Yilmaz nicht mehr aus den Augen gelassen haben, Sie haben dem von Anfang an misstraut, obwohl kein Mensch wusste, dass die zwei Männer überhaupt befreundet sind und sich regelmäßig
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