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Süden und die Schlüsselkinder

Süden und die Schlüsselkinder

Titel: Süden und die Schlüsselkinder
Autoren: Friedrich Ani
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in der Kneipe treffen. Bei der Truppe wusste das niemand. Nur Sie haben das erschnüffelt. Ich wollt meine Anzeige schon zurückziehen, das haben Sie nicht erlaubt. Wissen Sie das noch?«
    »Ihr Mann war verschwunden. Und er hätte einem Verbrechen zum Opfer gefallen sein können.«
    »Der doch nicht.« Sie wischte mit der rechten Hand durch die Luft. »Dann haben Sie ihn zurückgebracht, und für Sie war der Fall erledigt. Für mich nicht. Für den Alois auch nicht. Der war blamiert bis auf die Knochen. Der hat sich dann ins Grab gesoffen. Der wollt nicht mehr. Ich geb Ihnen keine Schuld, nicht, dass Sie mich missverstehen, Sie haben bloß Ihre Pflicht getan als Polizist, Sie waren halt stur und haben mich ausgefragt, bis ich ganz damisch im Kopf war. Mir haben Sie nämlich auch nicht geglaubt, Sie sind wahrscheinlich von Haus aus ein misstrauischer Charakter.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Doch«, sagte sie, und ihr Mund zuckte, wie bei einem entglittenen Lächeln. »Und das müssen Sie auch sein als Polizist.«
    »Ich bin kein Polizist mehr.«
    »Sie wiederholen sich. Jedenfalls bin ich froh, dass ich Ihnen das mal sagen konnt, so direkt. Ich hätt Ihnen nämlich fast einen Brief geschrieben, nachdem der Alois gestorben war. Aber das fand ich dann übertrieben, ich hätt Ihnen womöglich doch einen Vorwurf gemacht, das wollt ich nicht. Wie hieß der Ort, wo er hinwollt?«
    »Mersin.«
    Sie nickte und sah aus dem Fenster, wo es wieder angefangen hatte zu schneien.
    Die ersten Worte, die Alois Schallner damals zu Süden gesagt hatte, als dieser ihn in der Wohnung in der Kazmairstraße entdeckte, waren: »Jetzt brennt die Hütt’n vom Dach her.«
    Er nahm sein Tablett und stand auf. »Soll ich Ihren Teller mitnehmen?«
    »Das mach ich dann schon«, sagte Elfriede Schallner und rieb beide Zeigefinger an den Daumen. »Mir ist ganz blümerant jetzt. Könnten Sie mir einen Schnaps holen, ich geb Ihnen das Geld gleich.«
    »Einen Klaren?«
    »Irgendwas, wo der Magen sich fürchtet.«
    Dann tranken sie beide einen furchteinflößenden Schnaps. Und weil sie noch Zeit hatten und niemand auf sie wartete, bloß weil Weihnachten war, tranken sie noch einen. Über Alois Schallner sprachen sie nicht mehr. Sie sprachen überhaupt nur noch wenig.
    Beim Abschied gaben sie sich die Hand, und die Hand der alten Frau war kalt und hart wie der Wind, der Süden ins Gesicht blies, als er das Kaufhaus verließ und aus Ratlosigkeit vor dem U-Bahn-Schacht stehen blieb, inmitten der vom Einkaufswahn gebeutelten Menge.
    Dann fiel ihm ein, dass er noch einmal zurückmusste. Er hatte schon wieder vergessen, rote Kerzen für Martin Heuers Grab zu kaufen.

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    24
    E r schaute Adrian beim Schlafen zu. Und die ganze Zeit dachte Nepomuk nichts anderes, als dass der Anblick seines träumenden Zimmernachbarn, der Gängsta, den Stoffelch, im Arm hielt, das Schönste war, was er seit langer Zeit gesehen hatte. Und die ganze Zeit wollte Nepomuk wissen, wieso. Doch dann kippte er auf dem bunten Teppich zur Seite und wachte erst am Morgen von Heiligabend wieder auf.

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Über Friedrich Ani
    Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er arbeitete als Reporter, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, so u.a. mit dem Tukan-Preis für das beste Buch des Jahres der Stadt München. Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman »Süden und der Luftgitarrist«. Friedrich Ani lebt in München.

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Über dieses Buch
    Zwei Tage vor Weihnachten verschwindet der zehnjährige Adrian aus dem Kinderschutzhaus, in dem er seit einem Monat lebt. Die Leiterin des Hauses bittet den Detektiv Tabor Süden um Hilfe bei der Suche. Adrian, ein in sich gekehrter, wortkarger Junge, hat einer Erzieherin das Handy gestohlen und schreibt nun ständig SMS-Nachrichten an Fanny, die auch im Kinderschutzhaus wohnt. Süden folgt der Spur des Jungen quer durchs winterliche, weihnachtlich geschmückte München, zeitweise begleitet von der 11-jährigen Fanny, die ihn halb wahnsinnig macht mit ihrem ständigen Reden.

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Impressum
    eBook-Ausgabe 2011
    Knaur eBook
    © 2011 Knaur Taschenbuch
    Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
    Th. Knaur Nachf.
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