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Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist
Autoren: Friedrich Ani
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es vollkommen ruhig war, setzte The Vagabond den Gitarrenkoffer ab, kniete sich daneben, nahm seine Luftgitarre heraus, klappte den Deckel wieder zu, und wir hörten, wie das Schloss zuschnappte. Er reichte den Koffer Cargo, der ihn wortlos vor sich hinlegte, und steckte das Kabel ins Instrument. Jemand hustete.
    The Vagabond wartete. Bestimmt hatten sich die Gäste in diesem Lokal noch nie so leise verhalten, vielleicht noch in keinem Lokal der Stadt.
    Die Hände hinter dem Rücken trat er ans Mikrofon. Er drehte den Kopf in Richtung des Tisches, an dem Genoveva Viellieber saß. Sie sah ihn an. Seine Augen waren hinter der schwarzen Brille nicht zu erkennen. Lange blickte er zu dem Tisch.
    Dann wandte er sich nach vorn, zögerte noch einmal vor dem ersten Wort.
    »Ladies and gentlemen«, sagte er.
    Nun hob er den linken Arm, formte seine Finger zu einem Griff und begann mit der rechten Hand, die Saiten zu zupfen. »This song is…«
    Vielleicht fiel ihm das Sprechen in einer fremden Sprache leichter.
    »… dedicated to my brother who died… a week ago. His body was found yesterday. He is dead. He died in a car. It was not his car. He was thirtyone years old…«
    Jemand unterdrückte ein Husten. Das einzige Geräusch war das Klicken von Feuerzeugen.
    »… He wanted to become a big soccer player. But he failed. Maybe not. No, he did not fail…«
    Er spielte einige Akkorde, reglos, dann zupfte er einzelne Saiten, tiefe Töne erklangen, eine einfache Melodie auf zwei Saiten.
    »… He is dead. Nobody saved his life. Nobody missed him… I was too late. I did not understand his voice… on the telephone… Could not read his words… This afternoon I wrote a song for him.«
    Er drehte leicht den Kopf, spielte weiter, legte den Kopf schief, als lausche er einer anderen Melodie als seiner eigenen oder einer Stimme. Dann blickte er wieder geradeaus.
    »A song for my brother Aladin who got lost«, sagte er ins Mikrofon. »The song is called… It is called: ›Idiots never die of coldness‹. This is for you, Aladin, on your way back home. I can see you. I can see…«
    Wie am Fenster des Hotelzimmers stand Sonja vor mir, und ich legte die Arme um sie, und im Obdach ihrer Nähe machte mir die Menge um uns herum nichts aus. Idiots never die of coldness.
    Nach fünfundsechzig Sekunden endete in der Stille unserer Umarmung ein großes Konzert.

Buch
    B ei der deutschen Ausscheidung zur Weltmeisterschaft der Luftgitarristen steht Südens Kollege Martin Heuer im Finale. Da ist plötzlich sein härtester Konkurrent unauffindbar. Gemeinsam mit Süden und dem Team vom Dezernat 11 macht sich Heuer auf die Suche – und findet mehr als einen Menschen, dem die Wirklichkeit abhanden gekommen ist.

Autor
    F riedrich Ani, 1959 in Kochel am See geboren, lebt als Schriftsteller in München. Für seine Arbeiten erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, zuletzt den Deutschen Krimipreis 2002 für den ersten Band der Tabor-Süden - Reihe und den Deutschen Krimipreis 2003 für die nachfolgenden drei Bände.
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