Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und der Luftgitarrist

Süden und der Luftgitarrist

Titel: Süden und der Luftgitarrist
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
anzurufen und eine Beschreibung durchzugeben. Ihre Recherchen brachten keine neuen Erkenntnisse, zwei Ärzte gaben an, sie hätten Aladin vor einigen Jahren untersucht und an eine Fachklinik überwiesen.
    Hinter mir waren Stimmen zu hören. Ich drehte mich um und sah eine Schlange Männer in zerschlissenen, dicken Jacken und Mänteln hereinkommen, die meisten trugen Rucksäcke, einige Plastiktüten und Jutebeutel. Viele schienen sich zu kennen.
    »Der mit der Pudelmütze«, sagte Lina Walter, »der kennt den Aladin. Das ist der Holder.«
    »Ich muss zu meiner Suppe«, sagte Lisl Schäfer. »Wenn Sie eine möchten, müssen Sie sich beeilen, Herr Kommissar.«
    »Danke«, sagte ich.
    Holder hatte außer der blassblauen Mütze einen hellblauen gefütterten Anorak, Blue Jeans und braune Fellstiefel an. Sein Rucksack war vermutlich vor langer Zeit weiß gewesen.
    »Kann ich Sie mal sprechen?«, sagte ich. Er sagte: »Jetzt ess ich. Wer bist du?«
    »Ich suche den Aladin.«
    »Den such ich auch.«
    »Warum?«, sagte ich.
    »Warum?«, sagte er. »Warum? Er hat mir zwei Karten versprochen. Für mich und meine Freundin. Und jetzt? Das ist ein Geburtstagsgeschenk für meine Freundin. Die hat heut Geburtstag. Heut. Und?«
    »Was für Karten hat er dir versprochen?«, sagte ich.
    »Konzertkarten! Fürs Konzert von seinem Bruder! Die ganze Zeit hat der von seinem Bruder erzählt, was der für ein Wahnsinnsgitarrist ist, und dass der ein Wahnsinnskonzert in München gibt, ein einmaliges Konzert. Ich steh auf Gitarre. Al de Meola, Clapton, alles. Hab selber mal gespielt. Er hat gesagt, so was hätt ich noch nicht gehört, so ein Konzert. Er hat ein Mordsgeheimnis draus gemacht. Ich hätt gern Milch in den Kaffee, bittschön.«
    Die ältere Frau, die mir vorhin das Brot geben wollte, reichte Holder die Tasse.
    »Und jetzt hast du kein Geburtstagsgeschenk«, sagte ich.
    »Ist doch Scheiße!« Holder schlürfte seinen Kaffee und wartete ungeduldig auf eine Wurstsemmel, die ihm eine der Frauen hinter den Bänken schließlich in die Hand drückte. »Servus, Kati.«
    »Grüß dich, Holder«, sagte Kati. »Wie gehts deiner Liebsten?«
    »Schlecht«, sagte er. »Ich hab nix zum Geburtstag für sie.«
    »Ich hab gedacht, du gehst mit ihr ins Konzert«, sagte Kati.
    »Wenn der bis heut Mittag nicht auftaucht«, sagte Holder und schmatzte, »dann hau ich ihn zusammen, dann gehts ihm wie früher auf dem Platz!« Er bog den Oberkörper und stöhnte. »Ich bin verspannt. Die Kisten werden immer ungemütlicher, früher hat man Platz gehabt, aber heut ist alles viel zu eng.«
    »Was für Kisten?«
    »Kisten! Ka-eff-zetts!«, sagte er. »Hab ich vom Aladin gelernt. Der hat mir erklärt, wie man ein Auto aufknackt, ohne dass jemand was merkt. Der übernachtet nur in Autos, das sind seine Hotels. Wer bist du überhaupt?«
    »Süden«, sagte ich. »Tabor…«
    »Süden?«, unterbrach er mich und legte den Kopf schief.
    »Ist okay, zu mir sagen auch alle Holder, das muss reichen, mehr muss man nicht wissen, passt schon so, Süden.«

13
    N ach dem dritten Kaffee glaubte er Martin und mir, dass wir Kriminalbeamte waren, trotz unseres Aussehens. »Harte Zeiten«, sagte Holder. »Jetzt wisst ihr, wo ihr hin könnt, wenn der Staat euch mal rausschmeißt. So weit wirds kommen, auch der Staat wird Leute entlassen, heut ist niemand mehr sicher.«
    Inzwischen frühstückten hier ungefähr dreißig Menschen und nebenbei deckten sie sich mit Lebensmitteln ein. Im Winter, hatte uns Holder erklärt, öffneten Lina Walter und ihre Helferinnen jeden Samstag Morgen das Tor von St. Sebastian, und wer nicht rechtzeitig kam, musste, wenn er Pech hatte, mit leeren Händen abziehen.
    »Warum beginnt der Ausschank so früh?«, fragte ich. Holder stopfte vier Äpfel, drei Tafeln Schokolade und fünf in Plastik verpackte Semmeln in seinen Rucksack, dessen Inhalt er schamhaft vor uns verbarg.
    »Die Schoko ist für Senta, zum Geburtstag«, sagte er.
    »Wo ist sie?«, fragte ich.
    »Schläft noch«, sagte er. »Ist erkältet, schwere Zeit für sie.« Er verschnürte den Rucksack und stellte ihn neben die Bank, auf der wir saßen. »Warum die so früh anfangen? Das ist wichtig, manche sind die ganze Nacht draußen, die brauchen dann was Heißes. Ist doch okay. Glaubst du, wir schlafen bis Mittag und gehen dann erst mal zur Maniküre? Ist doch okay, wenn gleich was zu tun ist in der Früh.«
    »Sind die Unterkünfte alle belegt?«, fragte Martin.
    »In der Pilgersheimer zahlst du
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher