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Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes
Autoren: Friedrich Ani
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dem kleinen Block ab, zeigte ihn Martin und legte ihn vor Tiller auf den Tisch. Er las ihn sofort. Auf dem Blatt stand »Haidenauplatz«.
    »Wir suchen nach einer Wohnung, in der sich die beiden Kinder aufhalten könnten«, sagte ich. »Vielleicht haben Sie eine Idee.«
    Ich machte einen Schritt von der Wand weg, und Martin schaltete das Gerät aus.
    Ich sagte: »Hören Sie auf Ihre Tochter als Spielball zu benutzen! Bisher haben wir nur von den beiden Kindern gesprochen, Sie haben noch die Möglichkeit aus dem Netz rauszukommen, das Sie selber ausgeworfen haben. Eine Wohnung an diesem Platz oder in der Nähe, ich vermute, sie gehört Ihrem Freund Enke, er wird dort nicht gemeldet sein, aber Sie kennen die Wohnung. Sie haben versucht, eine Entführung Ihrer zehnjährigen Tochter vorzutäuschen, um Ihren Freund Enke tiefer mit reinzuziehen und sich selbst zu entlasten…«
    »Das stimmt nicht!«, sagte er theatralisch.
    »Sie haben die Pressekonferenz im Fernsehen gesehen, auf der eine Journalistin den Verdacht in die Welt gesetzt hat, die Kinder seien vielleicht entführt worden. Und da haben Sie gedacht, das ist die Idee…«
    »Nein!«, rief er.
    »Hinterher hätten Sie immer noch sagen können, Sie hätten sich getäuscht.«
    »Das ist zum Kotzen, was Sie da treiben«, sagte Martin.
    »Jetzt hören Sie mal zu…«, sagte Tiller. Ich sagte: »Wir machen jetzt eine Pause.«
    »Moment mal!«
    Ich öffnete die Tür und bat einen uniformierten Kollegen auf Tiller aufzupassen.
    »Drecksau«, sagte Martin auf dem Flur.
    Auf einer der Bänke saß Bettina Tiller. Neben ihrem blassblauen Anorak leuchtete ein blaues Sakko ins monotone Graubraun der Halle.
    Nach einem kurzen Gespräch mit Saras Mutter kehrten wir in den Vernehmungsraum zurück. Ich setzte mich neben Martin, Frank Tiller gegenüber.
    »Haben Sie uns etwas mitzuteilen?«, sagte ich.
    »Es ist alles ganz anders, als Sie denken«, sagte er.
    »Wie denn?«
    »Ich geb zu, ich weiß nicht, ob Sara entführt worden ist. Ich hab das… ich hab nur…«
    »Sie haben nur behauptet, sie sei entführt worden.«
    »Ja.«
    »Warum haben Sie das behauptet?«
    »Ich hab gedacht, Sie finden sie so schneller.« Er tappte noch immer durch sein Lügenhaus.
    »Vor allem wollten Sie mit Ihrer Aussage Ihren Freund Diethard Enke belasten«, sagte ich.
    »Wenn, dann hat er sie entführt«, sagte Tiller.
    »Unsere Kollegen haben mit ihm auf Mallorca gesprochen, er hat die Insel seit vier Monaten nicht verlassen, dafür gibt es Zeugen.«
    »Er hat doch Helfershelfer, die hat er immer schon gehabt.«
    »Sie zum Beispiel.«
    »Ja, mich, aber ich bin raus. Ja, ich hab das Geld genommen, ich hab auch von ihm Geld genommen, ich hab ihn gedeckt. Das ist vorbei, ich hätt mich sowieso gestellt. Ich hab das Geld gebraucht, meine Frau hat eine Erbschaft gemacht vor zehn Jahren, kurz vor Saras Geburt, davon haben wir uns das Haus in Unterhaching gekauft. Aber dann ist meine Frau krank geworden, seelisch, irgendwas ist bei Saras Geburt mit ihr passiert, sie hat dann ihr Zimmer nicht mehr verlassen, sie hat die Vorhänge nicht mehr aufgezogen, können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn Sie nach Hause kommen und überall ist es dunkel? Das ist wie im Knast, bloß anders eingesperrt. Ich hab mich um Sara kümmern müssen, ich hab sie mitgenommen in die JVA, sie ist praktisch in einem Gefängnis aufgewachsen, können Sie sich das vorstellen? Das hätt doch nicht sein müssen. Das Haus hat Mängel gehabt, wir haben Geld reingesteckt, mehr als wir eigentlich hatten, und die Leute da haben uns angeschaut, die haben mitgekriegt, dass wir uns übernommen haben, da wohnen ja nicht gerade die Ärmsten der Stadt, das sind alles Besserverdiener. Außer uns. Wir sind Normalverdiener.
    Meine Frau musste in eine teure Therapie, sie war ein paar Monate in der Klinik, da in der Nähe von Gauting da draußen, sehr schön da, sehr teuer. Mir wars das wert, ich wollt, dass meine Tochter eine gesunde Mutter hat, keine, die dauernd die Vorhänge vorzieht und nichts redet und nichts kocht, das kam noch hinzu. Sie hat aufgehört zu kochen, sie hat behauptet, sie muss immer heulen, wenn sie einen Salat zubereitet oder ein Fleisch kocht, sogar wenn sie Nudeln, dämliche Spaghetti, in den Topf schüttet, fängt sie an zu heulen. Was denkt denn da so ein kleines Mädchen? Sara ist trotzdem ganz normal geworden, und sie ist hübsch. Eigenwillig auch, das war vorherzusehen, ich hab versucht sie zu erziehen und ihr
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