Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Süden und das Lächeln des Windes

Süden und das Lächeln des Windes

Titel: Süden und das Lächeln des Windes
Autoren: Friedrich Ani
Vom Netzwerk:
Schritt vorangekommen«, sagte Martin.
    »Herr Tiller«, sagte ich. Es fiel ihm schwer mir ins Gesicht zu sehen. »Wir möchten wie Sie, dass Ihre Tochter so schnell wie möglich unverletzt freikommt, und wir möchten auf keinen Fall, dass Sie sich durch bestimmte Aussagen belasten. Ich werde Ihnen ein paar Fragen stellen, und Sie sagen nichts darauf, Sie nicken oder schütteln den Kopf oder reagieren überhaupt nicht.«
    Jetzt sah er Martin Hilfe suchend an, und ich stellte mir vor, wie der ihn mit einem engelsgleichen Lidschlag ermunterte.
    »Versuchen wir’s«, sagte Tiller.
    »Ich werde den Recorder einschalten«, sagte ich. »Ich stelle meine Fragen, und Sie antworten, wie ich vorgeschlagen habe.«
    »Was soll das mit dem Recorder?«
    »Das ist eine Vernehmung«, sagte ich.
    »Wir müssen ein Protokoll anfertigen, diese Prozeduren kennen Sie doch, Herr Tiller, das Papier ist die Seele der Bürokratie…«
    Martin drehte sich kurz zu mir um, und ich begriff, dass ich ihm für diesen Satz mindestens vier Averna auf Eis schuldete.
    »Das gefällt mir nicht«, sagte Tiller. »Das ist riskant.«
    »Nein«, sagte ich. »Machen Sie sich keine Sorgen! Antworten Sie nur auf Fragen, die Sie nicht gefährden! Wir fangen an.«
    Im nächsten Moment schaltete Martin den Recorder ein und ich nahm meinen kleinen karierten Spiralblock aus der Hemdtasche und schrieb ein paar Wörter auf.
    »Kennen Sie den neunjährigen Timo Berghoff?«, fragte ich.
    Tiller nickte. Ich deutete ihm an Ja zu sagen.
    »Ja«, sagte er zögernd.
    »Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
    »Vor… das weiß ich nicht.«
    »Kommt Timo manchmal in Ihr Haus?«
    Tiller schüttelte den Kopf. Ich zeigte auf den Recorder.
    »Nein…« Irritiert gestikulierte er mit den Händen.
    »Nein«, sagte ich. »Dennoch ist der Junge mit Ihrer Tochter befreundet.«
    Er wusste nicht, ob er sprechen oder schweigen sollte. Ich riss einen Zettel ab, auf den ich »Didi Enke« geschrieben hatte, zeigte ihn Martin und legte ihn Tiller hin. Dann hielt ich, weil Tiller sofort etwas sagen wollte, den Finger an die Lippen.
    »Bitte beantworten Sie meine Frage, Herr Tiller«, sagte ich. »Ist Ihre Tochter Sara mit Timo Berghoff befreundet?«
    Tiller nickte und betrachtete beunruhigt den Zettel.
    »Also ja«, sagte ich.
    »Ja«, sagte er.
    »Timo Berghoff ist verschwunden, nach unseren Ermittlungen hat er sich mit Ihrer Tochter Sara verabredet. Können Sie sich das erklären, Herr Tiller?«
    »Nein«, sagte er mit fester Stimme.
    »Wann haben Sie zum letzten Mal mit Ihrer Tochter gesprochen?«
    Er lauerte, sah erst Martin an, dann zu mir, dann senkte er den Kopf und schüttelte ihn.
    »Der Zeuge kämpft mit den Tränen«, sagte ich.
    Tillers Kopf schnellte nach oben. Schlagartig wirkte er erleichtert, er schien auf meine nächste Frage geradezu zu warten.
    »Timo Berghoff und Ihre Tochter sind nicht zum ersten Mal gemeinsam streunen«, sagte ich. »Sie halten sich oft bei Timos Tante auf, die sich um sie kümmert. Diesmal jedoch nicht. Möglicherweise hat Timo ein Versteck entdeckt, von dem wir noch nichts wissen. Es könnte aber sein, dass er Sara davon erzählt hat, und sie hat zu Hause etwas erwähnt. Erinnern Sie sich an ein solches Gespräch, Herr Tiller?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Kennen Sie einen Mann mit dem Namen Diethard Enke?«
    Tiller starrte mich konsterniert an.
    »Bitte beantworten Sie die Frage!«, sagte Martin.
    »Na – ja natürlich, er saß bei uns ein, er war im Kfz-Betrieb, Ausnahmeregelung. Aber was hat der… der Herr Enke mit meiner Tochter zu tun?« Verwirrt und verärgert über den Bruch unserer Verabredung, den ich anscheinend begangen hatte, griff er nach dem Recorder. Doch er tappte daneben, da Martin das Gerät schon zur Seite geschoben hatte.
    »Bitte legen Sie die Hände in den Schoß!«, sagte Martin.
    »Sie haben mich reingelegt«, sagte Tiller aus Versehen.
    »Würden Sie bitte die Hände in den Schoß legen«, wiederholte Martin.
    Tiller tat es.
    »Was meinen Sie damit, wir hätten Sie reingelegt?«, sagte ich.
    Tiller setzte an etwas zu erwidern, da wurde ihm klar, in was für eine vertrackte Lage er sich mit seiner Bemerkung manövriert hatte.
    »Möchten Sie etwas sagen?«, fragte ich.
    Tiller zupfte an seinem Anzug. Offenbar dämmerte ihm, dass sein Plan, uns einen scheinheiligen Deal anzubieten, gescheitert war, und zwar vom ersten Moment an. Aber er versuchte Zeit zu gewinnen. Das war mir recht. Ich riss einen zweiten Zettel von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher