Süden und das heimliche Leben

Titel: Süden und das heimliche Leben
Autoren: Friedrich Ani

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es bei der Vorspeise. Im Verlauf des Abends tranken seine Chefin Weißwein und er Bier. Angesichts der gewaltigen Ölvorkommen auf der Vorspeisenplatte spendierte ihnen der Wirt zwischendurch Ouzo. Ab und zu ging Edith Liebergesell nach draußen, um zu rauchen. Dann sah Süden den wenigen Gästen beim Essen und Reden zu, ohne etwas wahrzunehmen, und dachte an Ilka Senner, die er aufgespürt hatte, um sie ins Gefängnis zu bringen.
    »Ich hätte sie schneller finden müssen«, sagte er.
    »Du wiederholst dich, Süden.«
    Sein Handy klingelte, er kannte die Nummer und ging dran.
    »Ich bin’s«, sagte Birgit Hesse. »Wo bist du?«
    »Dienstessen.«
    »Gegessen wird auch? Ich soll dir was mitteilen, inoffiziell. Wie es aussieht, wird uns der Kollege Gentner in Richtung Wiesbaden verlassen. Wir hätten dann eine freie Planstelle, und es sind Äußerungen gefallen, ob du nicht zu uns zurückkehren möchtest. Entschuldige, dass ich mich so umständlich ausdrücke.«
    Süden sagte: »Ich habe dich schon verstanden. Ich werde nicht zurückkehren, danke für das Angebot.«
    »Noch ist es eine interne Überlegung, du hättest noch einige Wochen zum Nachdenken Zeit.«
    »Nein.«
    »Wir könnten dich gebrauchen.«
    »Nein«, sagte er, trank einen Schluck Ouzo und schwor, nie wieder einen zu trinken. Der Schwur hielt neun Minuten. »Nach meinem Dienstessen hätte ich Zeit für ungezwungene Körperertüchtigung.«
    »Ungezwungene Körperertüchtigung? Wie viele Gläser hast du schon getrunken?«
    »Ich zähle nie mit.«
    »Ich fahr jetzt nach Hause und leg mich gleich schlafen«, sagte die Kommissarin. »Morgen ist auch noch ein Körperertüchtigungstag.«
    Süden schaltete das Handy aus und steckte es ein. »Die ermittelnde Kommissarin«, sagte er aus irgendeinem Grund.
    Im Blick seiner Chefin glaubte er Spuren von Eifersucht zu erkennen. Vielleicht waren es auch Sehschlieren vom Ouzo.
    Der Regen prasselte gegen das Fenster – wie am vergangenen Sonntag, als er in dem Lokal in der Perlacher Straße 100 mit seiner Suche begonnen hatte.
    Ein launiger, missmutiger Sommer.
    Aber da war jemand, der ihm verzieh.

    Bei diesem Geräusch sind wir immer friedlich eingeschlafen, sagte Ilka Senner in ihrer Zelle, wo sie demselben Regen zuhörte wie Süden in der Innenstadt und die Wölfe in Hellabrunn. Schlaf jetzt, Mimi, sagte sie und zog die graue Wolldecke bis zum Kinn. Sie fror nicht. Ihr Schlafanzug roch nach Waschpulver. Sie faltete die Hände auf dem Bauch, horchte noch einmal, als begänne jetzt eine heimliche und glückvolle Erinnerung, auf den Regen und ihren Herzschlag und schloss die Augen.
    Nie zuvor hatte sie sich vom Leben so gemeint gefühlt.

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Über Friedrich Ani
    Friedrich Ani wurde 1959 in Kochel am See geboren. Er arbeitete als Reporter, bevor er sich ganz dem Schreiben widmete. Er schreibt Romane, Kinderbücher, Gedichte, Hörspiele, Drehbücher und Kurzgeschichten. Seine Bücher wurden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, so u.a. mit dem Tukan-Preis für das beste Buch des Jahres der Stadt München. Als bisher einziger Autor erhielt Ani den Deutschen Krimipreis in einem Jahr für drei Süden-Titel gleichzeitig. 2010 folgte der Adolf-Grimme-Preis für das Drehbuch nach seinem Roman »Süden und der Luftgitarrist«. 2011 erschien bei Droemer der Roman »Süden«. Friedrich Ani lebt in München.

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Über dieses Buch
    Als die fleißige, zuverlässige Kellnerin Ilka Senner verschwindet, glaubt jeder an ein Gewaltverbrechen. Bei seinen Ermittlungen stellt Tabor Süden fest, dass keiner wirklich etwas über sie weiß. Auch ihre Familie nicht, die auf das Verschwinden mit Desinteresse und Herzlosigkeit reagiert. Erst ein Gespräch mit der Schwester lässt Süden erahnen, was Ilka aus Scham vor aller Welt verbirgt …

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Impressum
    eBook-Ausgabe 2012
    Knaur eBook
    © 2012 Knaur Taschenbuch
    Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
    Th. Kn
aur Nachf. GmbH & Co. KG, München
    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
    Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
    Coverabbildung: Buchcover/Hayden Verry
    ISBN 978-3-426-41513-9

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