Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Suche: Roman

Suche: Roman

Titel: Suche: Roman
Autoren: Monica Kristensen
Vom Netzwerk:
machst, dann reiße ich dir noch das andere Ohr von deiner Kaninchenmütze ab.«
    »Du sollst verdammt noch mal nicht immer so gemein sein.« Magnus wusste selbst nicht so genau, welchen Grund er eigentlich hatte, sich zu trauen, dem gleichaltrigen Jungen Kontra zu geben.
    »Und du sollst nicht fluchen!«, rief Ella empört.
    »Pssst.« Die drei Jungs drehten sich um und zischten sie an, trotz allem war sie ja nur ein Mädchen. »Ingrid kann uns hören, seid still, alle drei.«
    Wie üblich war es Kalle, der das letzte Wort hatte. Er schob die Hände in die Taschen seines Schneeanzugs. »Was habt ihr gekriegt?« Drei Karamellbonbons und eine kleine Tüte mit Süßigkeiten lagen auf dem Boden. Unter genauer Beobachtung legten die anderen ihre Schätze auf den Boden. Sie teilten alles untereinander auf und stopften sich schnell die Leckereien in den Mund. Eine Weile saßen sie einträchtig beieinander und kauten vernehmlich.
    »Glaubst du, es war der sechste Mann, der dich geschubst hat?«, fragte Ella Kalle.
    »Es gibt keinen sechsten Mann und keine Bergmännchen.« Kalle sah sie streng an. »Das ist nur so ein Quatsch, den die Dummen glauben. Am-mateure!« Kalles Vater war Steiger bei Svea und arbeitete seit mehr als zwanzig Jahren für die Bergbaugesellschaft.
    »Was ist ein Bergmännchen?«, fragte der Zwilling und schaute sich ängstlich um.
    »Das soll so einer sein, der hinter den Hauern in die Grube geht, und keiner weiß, wer er ist«, erklärte Kalle mit überlegener Miene. Der Zwilling guckte ihn verständnislos an. »Na, die Hauer, du weißt, die Grubenarbeiter. Wenn sie im Berg Kohle schlagen. Da ist es dunkel in der Grube, weißt du. Bestimmt noch dunkler als hier. Und dann, wenn dann … Ja, wenn sich jemand umdreht und gucken will, was die Kumpel machen … Dann sieht er, dass da ein Mann zu viel ist. Wenn sie fünf sind, dann sieht er plötzlich sechs Stück, die die Kohle schlagen. Das ist dann der sechste Mann. Aber das sind nur solche wie Ellas Papa, solche Neuen … die an solche Gespenster glauben.«
    Ella schaute weg. Sie hätte ihren Papa so gern verteidigt. Wusste aber nicht so recht, was sie sagen sollte. »Mein Papa glaubt an den sechsten Mann. Er hat ihn nämlich gesehen!«, sagte sie schließlich. Aber Kalle erwiderte nicht einmal etwas darauf.
    Eine Weile war es still.
    »Was glaubst du, was ist da weiter hinten unterm Haus?«, fragte Magnus plötzlich. Er hatte bereits all seine Süßigkeiten aufgegessen.
    Kalle zuckte mit den Schultern. Aber Ella war neugierig. »Wollen wir nachgucken?« Sie kroch bereits in den Schnee hinein, durch eine enge Öffnung, die im Dunkel verschwand. Die anderen Kinder beugten sich vor, um zuzugucken, und Magnus schob sich langsam hinterher. Kurz darauf war ein gedämpfter Schrei von Ella zu hören. »Hilfe, es ist eingebrochen. Ich habe Schnee in den Nacken gekriegt. Ach du meine Güte. Hier ist eine richtig große Höhle. Kommt doch auch!«
    Aber Kalle zog Magnus am Bein zurück und erklärte, dass sie zurück zum Eingang müssten, um nachzusehen, ob die Leiterin inzwischen reingegangen war.
    »Es wird kalt«, schnaubte der Zwilling. »Nun komm schon zurück.«
    Kalle kroch als Erster aus der Höhle und achtete darauf, dass ihn niemand von den Fenstern her sah. Vorsichtig ging er die Treppe hoch und klopfte ein paar Mal an die Haustür. Drinnen schob der andere Zwilling die Bank vor die Tür und kletterte hinauf, so dass er das Schnappschloss erreichen konnte. Er musste sich ein wenig abmühen, um es öffnen zu können. Doch schließlich schaffte er es und schob stolz die Bank zurück an ihren Platz. Ein Schlag mit der Hand auf die Tür verkündete Kalle, dass die Luft im Flur rein war.
    Unter dem Haus kroch Ella allein in dem schmalen Gang aus hart gepresstem Schnee herum und versuchte sich umzudrehen. Sie kam ins Schwitzen. Und sie war traurig, weil die anderen nicht auf sie gewartet hatten. Als sie schließlich herausgekrochen kam, waren die anderen schon lange fort. Und sie vergaß das Schnappschloss wieder zu verschließen.
    Auf der anderen Seite des Kindergartens, auf dem Fußweg, setzten sich große Lederstiefel in Bewegung. Sie stampften kurz auf, weil der Mann, der sie trug, eine ganze Weile still gestanden und den Kindern unterm Haus zugehört hatte. Er musste lächeln. Ein wehmütiges, fast schönes Lächeln in einem so hässlichen Gesicht.

KAPITEL 2
VERMISST
    Donnerstag, 22. Februar, 16.10 Uhr
    »Spreche ich mit dem Büro der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher