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Titel: Suche: Roman
Autoren: Monica Kristensen
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kleine Person vorsichtig vom Boden auf.
    Sie schafften es, sich durch die enge Öffnung zu zwängen, und gelangten auf der anderen Seite an einen grobbehauenen, alten Ort. Nur zu zweit gelang es ihnen, Ella zu dem Durchbruch hochzuheben und durch den Felsspalt zu ziehen. Knut war ganz erschöpft von der Anstrengung, ihren Kopf von spitzen Steinen, Kies und Kohlenstaub fernzuhalten. Auf der anderen Seite der Öffnung war die Strecke so niedrig, dass sie das erste Stück auf Knien kriechen mussten, während sie Ella zwischen sich beförderten, Meter um Meter. Ab und zu drehte sie den Kopf, wedelte mit einer Hand, aber sie wachte nicht auf. Nach einer Weile wurde der First etwas höher.
    An einer Felswand fanden sie ein Wasserrinnsal. Sie befeuchteten Ellas Lippen, versuchten, ihr das Wasser Tropfen für Tropfen einzuflößen. Aber sie wollte nicht aufwachen, drehte den Kopf weg. Sie setzten ihren Weg fort. Knut fragte nicht mehr, wohin sie gingen und protestierte auch nicht. Ab und zu mussten sie sich hinsetzen und eine Pause machen.
    »Hast du sie in dem Holzverschlag gefunden?«
    Per Leikvik nickte, legte aber einen Finger auf den Mund um Knut zu zeigen, dass er leiser sprechen sollte.
    »Gestern?«
    Wieder nickte er.
    Knut wollte fragen, warum er Ella nicht einfach durch die Strecke, die in Schacht 7 mündete, mit hinausgenommen hatte, doch Per Leikvik musste schon begriffen haben, woran er dachte, denn er zeigte auf den First und senkte die Hände.
    »Steinschlag? Du hast gewusst, dass die Strecke in Gefahr war?«
    Per Leikvik nickte und schaute weg. Er hatte Angst vor Berglawinen.
    »Hast du Steinar Olsen gesehen?«
    Ella jammerte leise, und Per Leikvik wandte sich mit wütendem Blick ab. Er schüttelte den Kopf und wollte keine weiteren Fragen beantworten. Und dabei ging es um die Frage, die Knut gern hätte stellen wollen, worauf er aber keine Antwort bekam: Wusste Per Leikvik, wohin die alte Strecke führte? Waren sie auf dem Weg hinaus?
    Die Zeit verging langsam im Berg. Sie wanderten dort drinnen hundert ewige Nächte lang herum, vielleicht waren es auch schon hundert Jahre? Per Leikvik ging voran und trug unermüdlich Ella, mal auf dem Rücken, mal in den Armen.
    Sie kamen an Gesteinshaufen vorbei, die im Licht ihrer Kopfleuchten wie Metall glänzten. Aber es war trotz allem nur Kohle. Sie war von dem Wasser, das die Wände herunterlief, von dem First tropfte oder in kleinen Bächen auf der Sohle entlanglief, vollkommen durchnässt. Einmal mussten sie sich durch einen Spalt zwängen, der so eng war, dass Knut nur in der obersten Lungenspitze atmen konnte. Es war ein Albtraum, sein schlimmster seit vielen Jahren – die Angst, festzustecken, dort drinnen in dem Berg bleiben zu müssen, ohne dass ihn jemand fand.
    Aber sie schafften es weiter. Krochen flache Strecken entlang, die der Berg mit der Zeit wieder ganz schließen würde. Und als sie schon so lange gegangen waren, dass Knut nichts anderes mehr erinnern konnte als den Berg und den Geruch der Kohle, den bitteren Geschmack im Mund, das bedrohliche Knacken von Tonnen von Stein über ihren Köpfen, da kamen sie plötzlich hinaus in ein großes Gebäude aus ergrauten, staubigen Holzbrettern.
    Per Leikvik legte Ella vorsichtig auf ein paar Kisten, schob ihr wieder die Ledermütze unter den Kopf und wickelte den Anorak fest um sie. Dann ging er zu den windschiefen Türen und öffnete eine, so dass das blaue Morgenlicht und die Kälte hereindringen konnten.
    Knut trat vorsichtig an den Rand der wackligen Plattform und schaute über das Adventdalen. Weit dort unten lag Longyearbyen mit Licht in allen Häusern, wie Glasperlen auf dem Grunde eines Meeres. Die Gletscher leuchteten weiß um den Ort herum, und die Berge zeigten einen rotgelben Rand um ihre Spitzen. Es war früher Morgen, am fünfundzwanzigsten Februar, und sie waren aus dem Berg herausgekommen.

Das Zechenlied
    Geschrieben von dem Tischler Tiller von Namsos,
    der 1947 in Longyearbyen arbeitete.
    Veröffentlicht in der Spitzbergen-Post Nr. 10, 1950/51
    In Spitzbergens kohlrabenschwarzen Gruben,
    wo niemals die Sonne am Horizont steht.
    Wo nichts als das Dunkel der Ewigkeit herrscht,
    ein Dunkel, das niemals vergeht.
    Da mühen sich ab arbeitende Scharen
    von zuverlässigen und zähen Mann.
    Sie trotzen den tausend Gefahren,
    sie treiben die Kohle voran.
    In des Berges Tiefe drinnen
    schuften sie fürs täglich Brot.
    Doch oft können sie ihm nicht entrinnen,
    ihrem schweren, schnellen Tod.
    Wie
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