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Sturmwind der Liebe

Sturmwind der Liebe

Titel: Sturmwind der Liebe
Autoren: Catherine Coulter
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rührend gewesen wäre.
    Er war ein Narr, ein Betrüger, ein Feigling. In Wirklichkeit hatte er sie geheiratet, weil er ohne sie nicht leben konnte. Das war die reine Wahrheit. Und er hätte ihr die Wahrheit sagen sollen. Vielleicht kann man Vertrauen nur erringen, wenn man dem geliebten Menschen völlige Anerkennung entgegenbringt. Und Achtung. Sie nötigte ihm beides ab. Es war Zeit, ihr das zu sagen.
    Doch am nächsten Morgen vergaß Alec seinen Vorsatz, es ihr zu sagen – daß er sie liebte und achtete. Sie stöberte schon wieder in dem Verwaltungsbüro herum. Männerkleidung trug sie diesmal nicht. Er hatte jedes Kleidungsstück einzeln in Fetzen gerissen. Statt dessen trug sie eins der neuen Kleider, die er ihr in London gekauft hatte, blaßpfirsichfarbene Seide. Und prompt hatte sie es in dem schmutzstarrenden, rauchgeschwärzten Raum ruiniert.
    Als sie merkte, daß ihr jemand zusah, blickte sie auf. »Ich habe nichts gefunden«, sagte sie. »Es ist sehr deprimierend, wenn man eine Theorie hat und sie nicht beweisen kann. Hast du schon den Brief an Sir William geschrieben?«
    »Ja. Ich habe ihn sogar durch Boten übermittelt. Wenn wir Glück haben, können wir schon in drei Tagen von ihm hören.«
    »Von Mrs. MacGraff habe ich erfahren, daß wir heute zum Abendessen Sir Edward zu Gast haben.«
    »Ja. Und ich hoffe, du wirst dazu ein anderes Kleid anziehen. Ich möchte nicht, daß Sir Edward glaubt, ich gäbe meiner Frau solche Fetzen zum Anziehen.«
    »Fetzen! Den Ausdruck habe ich noch nie gehört. Echt englisch, wie?«
    Damit hatte sie ihm den Wind aus den Segeln genommen. Seine Lippen wurden schmal. »Wie drückt sich denn ein amerikanischer Mann aus, wenn er sagen will, daß er seine Frau nicht aus Geiz kurzhält?«
    »Vielleicht sagt er, daß er sie liebt. Mehr ist wirklich nicht nötig.«
    Er sah die aufwallende Hoffnung in ihren ausdrucksvollen Augen, und sein Vorsatz fiel ihm wieder ein. Doch er schwieg. Und nach einiger Zeit erlosch die Hoffnung in ihren Augen. An ihre Stelle traten Kummer und Mißtrauen.
    »Verdammt noch mal«, sagte er ganz leise. Dann trat er zu ihr und riß sie in seine Arme. »Verzeih mir«, sagte er, den Mund an ihren Haaren. »Verzeih mir, Genny! Ich bin ein abscheulicher, roher Mensch, und es tut mir sehr leid.«
    Sie blieb abweisend, und daran konnte er ermessen, wie tief er sie verletzt hatte. Er küßte sie auf die Schläfe, dann ihr Ohr. »Verzeih mir!« sagte er wieder.
    »My Lord … o Verzeihung, aber …«
    Langsam ließ Alec seine Frau los, und ebenso langsam drehte er sich um. »Schon gut, Mrs. MacGraff. Was gibt’s?«
    »Ich, äh, das heißt, ich wollte eigentlich die Lady sprechen, aber …«
    Alec hörte hinter sich Gennys schweres Atmen. In freundlichem Ton sagte er: »Die Lady ist im Augenblick etwas kurzatmig. Sie wird Sie in einer Viertelstunde rufen lassen.«
    »Nein, nein«, sagte Genny. »Was ist, Mrs. MacGraff?«
    »Ich weiß auch nichts Genaues, my Lady, aber Marge weint und ist ganz außer sich, und sie hat mich angefleht, sie bei Ihnen vorzulassen. Ich verstehe das alles nicht.«
    Genny wollte Alec nicht gehen lassen, nicht gerade in diesem Augenblick, da es schien, daß er … Aber es ließ sich wohl nicht vermeiden. »Bringen Sie Margie in das kleine gelbe Zimmer! Ich komme gleich.«
    Alecs Stirn umwölkte sich. Er hatte Genny so viel zu sagen. Entschuldigungen, Erklärungen und Versprechen. Es drängte ihn, ihr seine Gefühle zu offenbaren. Doch jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Also fragte er nur: »Kann ich mitkommen?«
    »Bleib hier, Alec! Stell dich irgendwo ins Dunkle, wo man dich nicht sieht! Ich bringe dann Margie her. Ich habe vorhin schon mit ihr gesprochen. Habe sie bedrängt und ihr gut zugeredet. Es geht bestimmt darum, daß sie etwas von dem Mord an Mr. Cruisk weiß.«
    Nach fünf Minuten war Genny wieder da. In ihrem Schlepptau kam Marge. Es war deutlich zu sehen, daß das Mädchen das ausgebrannte Zimmer nicht betreten wollte. Aber Genny schob sie rein und schloß die halbzerstörte Tür hinter ihr.
    Alec verhielt sich, ihrem Blick verborgen, mäuschenstill und hatte nur Augen für seine Frau. Sie sprach freundlich, aber fest auf Margie ein, die in Tränen ausbrach. Genny tröstete sie. Und dann lauschte er offenen Mundes, als Margie ihrer Zunge freien Lauf ließ.
    »Er hat mich vergewaltigt, my Lady. Ja, er hat mir Gewalt angetan, und dann sagte er, wenn ich Mr. Smythe oder Mrs. MacGraff auch nur ein
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