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Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)

Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)

Titel: Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
Autoren: Sophie Jordan
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1
    M anchmal träume ich, dass ich falle.
    Natürlich beginnen diese Träume damit, dass ich fliege. Weil es schließlich das ist, was ich tue. Was ich bin. Was ich liebe.
    Vor ein paar Wochen noch hätte ich gesagt, dass es das ist, was ich auf der ganzen Welt am liebsten mache. Aber seitdem hat sich viel verändert. Um nicht zu sagen, alles.
    In diesen Träumen rase ich über den Himmel und bin so frei, wie ich es eigentlich sein sollte. Aber dann passiert auf einmal irgendetwas und plötzlich stürze ich strudelnd in die Tiefe.
    Ich greife ins Leere und meine Schreie werden von einem zornig aufheulenden Wind verschluckt. Wie ein Stein falle ich nach unten. Wie ein Mensch ohne Flügel. Wie ein ganz normales Mädchen – und nicht wie ein Draki. Machtlos. Verloren.
    Genau so fühle ich mich jetzt: Ich falle und falle und kann nichts dagegen tun. Ich kann das Fallen nicht aufhalten. Ich bin wieder in demselben Albtraum gefangen.
    Bevor ich auf dem Boden aufschlage, wache ich immer auf. Das war bisher stets meine Rettung.
    Nur, dass ich heute Nacht nicht träume. Heute Nacht schlage ich wirklich auf dem Boden auf. Und es ist genauso schmerzhaft, wie ich es erwartet habe.
    Während Cassian den Wagen durch die Nacht steuert, lehne ich meine Wange gegen das kühle Fensterglas und starre hinaus in die reglose Dunkelheit. Mein Blick streift Steingärten und Stuckhäuser, die an uns vorüberziehen, und ich suche nach einer Antwort, einem Grund für das, was passiert ist.
    Die Welt scheint den Atem anzuhalten, während wir langsam an einem Stoppschild zum Stehen kommen. Meine Augen wandern zu dem dunklen Himmel über uns. Ein tiefes, sternenloses Meer, das auf mich wie ein Zuflucht verheißendes Zeichen wirkt.
    Vom Rücksitz aus dringt Mums Stimme an mein Ohr. Sie spricht in einem sanften Flüsterton mit Tamra und versucht, ihr eine Antwort zu entlocken. Ich löse meine Wange von der Fensterscheibe und werfe einen Blick über die Schulter. Meine Schwester liegt zitternd in Mums Armen. Ihre Augen starren ins Leere, ihre Haut ist leichenblass. »Ist alles in Ordnung mit ihr?«, frage ich, weil ich einfach etwas sagen muss. Ich muss Gewissheit haben. Habe ich ihr das angetan? Ist auch das meine Schuld? »Was ist los mit ihr?«
    Mum runzelt die Stirn und schüttelt den Kopf, so als ob ich besser den Mund halten sollte. Ich habe sie beide enttäuscht. Ich habe die eiserne Regel gebrochen.
    Ich habe Menschen – schlimmer noch: Jägern – gegenüber meine wahre Gestalt gezeigt und jetzt müssen wir alle für diesen Fehler büßen. Dieses Wissen lastet schwer auf mir, wie ein erdrückendes Gewicht, das mich tief in meinen Sitz presst. Ich sehe wieder nach vorn und plötzlich werde ich von einem unkontrollierbaren Zittern erfasst. Ich verschränke die Arme und presse die Hände seitlich an den Körper in der Hoffnung, dadurch das Zittern unterdrücken zu können.
    Cassian hat mich gewarnt, dass das, was ich heute Abend getan habe, Folgen haben wird, und ich frage mich, ob ich die ersten Konsequenzen bereits zu spüren bekomme. Ich habe Will verloren. Tamra ist krank oder steht unter Schock oder vielleicht ist es sogar noch schlimmer. Mum bringt es kaum fertig, mir ins Gesicht zu sehen. Jeder meiner Atemzüge verrät, wie elend ich mich fühle, während die Ereignisse des heutigen Abends hinter meinen Augenlidern brennen. Ich sehe, wie ich meine menschliche Haut ablege und mich vor Wills Familie verwandle. Wie ich verzweifelt durch die knisternde Luft zu ihm fliege. Doch wenn ich Will nicht im Flug zu Hilfe gekommen wäre, dann wäre er jetzt tot und diesen Gedanken könnte ich nicht ertragen. Ich werde Will nie wiedersehen, auch wenn er mir versprochen hat, dass er mich finden wird. Aber zumindest ist er am Leben.
    Cassian neben mir sagt kein Wort. Er hat alles gesagt, was nötig war, um Mum dazu zu bringen, mit uns ins Auto zu steigen und ihr begreiflich zu machen, dass eine gemeinsame Rückkehr die einzige realistische Option ist – eine Rückkehr an den Ort, vor dem wir geflohen sind. Seine Finger halten das Lenkrad so fest umklammert, dass seine Knöchel weiß hervortreten. Ich bezweifle, dass er seinen Griff lockern wird, bevor wir nicht endgültig aus Chaparral heraus sind. Wahrscheinlich sogar erst, wenn wir wieder sicher zurück im Rudel sind. Sicher. Ich ersticke fast an einem Lachen – oder vielleicht ist es auch ein Schluchzen. Werde ich mich jemals wieder sicher fühlen?
    Die Häuserreihen fliegen an uns vorbei und
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