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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel
Autoren: Corina Bomann
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voneinander.

Das weiße Segel
Frühjahr 1631
    »Sieh mal dort drüben!«
    Ingmar Svensson deutete auf die Ostsee, die unter dem wolkenlosen Himmel wie ein blauer Edelstein schimmerte.
    Anneke kniff die Augen zusammen. Ihre Sehkraft hatte sich nicht gebessert, dennoch erkannte sie das Schiff, das sich langsam von Kopenhagen entfernte.
    »Das ist das neue Flaggschiff des Königs, die Tre Kroner«, sagte Ingmar und legte seinen Arm um ihre Schulter. Das weiße Band, das in Annekes blondes Haar geflochten war, wurde von der sanften Meeresbrise über seine Hand geweht.
    »Das Schiff, an dem du mitgebaut hast?«, fragte sie, die mittlerweile zu einer jungen Frau geworden war. Ingmar hatte sie an den Strand geführt, ohne ihr den Grund zu verraten.
    »Ja, das ist es«, entgegnete er stolz. »Wenn man dem Geschwätz, das aus dem Palast dringt, Glauben schenkt, will Christian damit wieder gegen die Schweden ziehen und seine Feinde das Fürchten lehren. Genauso, wie er es seiner untreuen Frau gelehrt hat.«
    Anneke kannte die Geschichte, nach der Christian seine Gemahlin, die Gräfin Kirsten Munck, auf einem Fischerkarren aus dem Schloss gescheucht hatte, nachdem er ihren Ehebruch bemerkt hatte.
    »Glaubst du, dass er dazu imstande ist?«, fragte sie.
    Ingmar zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Die Schweden sind ein zähes Volk und ein hartnäckiger Gegner. Und nach der Katastrophe mit der Vasa werden die Schiffsbauer gelernt haben, die Vorschläge des Königs kritischer zu betrachten und trotz seiner Anweisungen zu machen, was nach ihrer Meinung richtig ist.«
    Ingmar schwieg nun nachdenklich und Anneke kannte den Grund genau. Den Tod seiner Mutter konnte man der Vasa nicht anlasten, aber wegen ihres Unterganges waren sie aus Stockholm geflohen. Und das hatte letztlich den Tod seines Vaters verursacht. Den Leichnam von Hendrick Svensson hatte das Meer nie freigegeben. In der ersten Zeit in Kopenhagen hatte Ingmar sehr um ihn getrauert, mittlerweile tröstete er sich damit, dass seine Eltern wieder vereint waren.
    »Das Schiff heißt wie das Schloss in Stockholm«, merkte Anneke nach einer Weile an. Wie sie festgestellt hatte, gab es gewisse Gemeinsamkeiten in der dänischen und schwedischen Sprache. Dass Ingmar Schwedisch sprach und auch Anneke sich einigermaßen in dieser Sprache verständigen konnte, hatte ihnen in der ersten Zeit hier sehr weitergeholfen.
    »Ja, das tut es. Wollen wir hoffen, dass ihr mehr Glück als der Vasa beschieden ist.«
    Ingmars Worte holten Erinnerungen aus den Tiefen ihres Gedächtnisses. Erinnerungen an einige Monate ihres Lebens, die vermutlich die größten Prüfungen beinhaltet hatten.
    Seitdem waren beinahe drei Jahre vergangen und ihr Leben hatte sich endlich wieder in geregelte Bahnen begeben.
    Nach ihrer Ankunft in Kopenhagen hatte es eine Weile gedauert, bis sie Fuß fassen konnten. Die Hauptstadt des dänischen Reiches war zwar prachtvoll, wartete aber nicht gerade auf arme Einwanderer.
    Nach langem Suchen hatte Roland Martens eine Anstellung in einem Kontor angenommen, Ingmar hatte sich auf der königlichen Werft verdungen.
    Anneke versorgte das kleine Haus, in das sie gezogen waren, und nebenbei gelang es ihr, in die Dienste einer reichen adligen Witwe in Kopenhagen zu treten.
    Ihr Einkommen wuchs von Monat zu Monat und mittlerweile spielte Annekes Vater mit dem Gedanken, ein eigenes Kontor zu eröffnen.
    Von Sönke und Hinrich hatten sie schon seit einer Weile nichts gehört, aber es war zu hoffen, dass sie sich schon irgendwie durchschlugen.
    Stralsund stand jetzt unter der Herrschaft des schwedischen Königs. Oft dachte Anneke an Marte und von Zeit zu Zeit schrieb sie ihr. Mittlerweile hatte ihre Freundin ebenfalls einen Liebsten, den Sohn eines Apothekers. Was daraus werden würde, wusste niemand, aber sie versicherte Anneke, dass sie glücklich war.
    Die Flucht Roland Martens' war nicht allzu lange Gesprächsthema in der Stadt geblieben. Peinlich davon berührt, dass es ihm gelungen war, aus dem als sicher geltenden Scharfrichterhaus zu entkommen, hüllte man diese Angelegenheit in einen Mantel des Schweigens.
    Anfänglich hatte Anneke Angst gehabt, dass man sie aufgrund der Briefe an Marte finden konnte, doch niemand hatte sich bisher die Mühe gemacht, nach ihnen zu suchen.
    Der Krieg tobte noch immer, aber nicht in Dänemark. Christian IV. hatte sich vor Kurzem daraus zurückgezogen. Der Feldzug hatte seine Goldschätze aufgezehrt, und obwohl das Volk seinen König
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