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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel
Autoren: Corina Bomann
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zu Marte.«
    »Noch ein Weg!«, stöhnte Hinrich und kassierte dafür von Sönke einen Knuff zwischen die Rippen.
    »Es ist nicht weit von hier. Wenn ihr nicht mitkommen wollt, bleibt hier und wartet auf mich.«
    Anneke wäre es nur recht gewesen, wenn sie allein hätte gehen könnte. Auch Ingmar wollte sie nicht dabeihaben. Sie wollte ihre Freundin allein wiedersehen.
    »Also gut, geh allein, wir bleiben hier«, beschloss Sönke.
    Anneke gab Ingmar einen Kuss auf die Wange, auch wenn sie wusste, dass Hinrich und Sönke ihn nun deswegen aufziehen würden. Dann verschwand sie im Dunkel der Gasse.
    *
    Das Haus des Soldaten Hagebohm war unversehrt. Die Kanonenkugeln mussten einen großen Bogen darum gemacht haben.
    Die Fensterläden waren alle geschlossen und Anneke hoffte, dass Marte immer noch in derselben Kammer schlief, damit ihre Steinwürfe nicht jemand anderen weckten. Sie sammelte ein paar Kiesel auf und nachdem drei von ihnen ihr Ziel gefunden hatten, regte sich etwas.
    Ein Fensterladen wurde aufgestoßen und ein Gesicht erschien in der Dunkelheit.
    »Anneke?«, wisperte eine Stimme ungläubig.
    »Marte!«, entgegnete Anneke und klatschte freudig in die Hände.
    Daraufhin verschwand das Gesicht und wenig später trat ihre Freundin aus der kleinen Seitenpforte. So stürmisch, wie sie einander umarmten, hätten sie sich beinahe von den Füßen gerissen.
    »Ich dachte, ich sehe dich nie wieder! Dein Vater wurde verhaftet und …«
    Anneke nickte. »Ich weiß, und deshalb bin ich hier. Wir müssen Vater befreien und verstecken. Irgendwo.«
    »Aber dein Vater …«
    »Er ist kein Verräter, wenn du das meinst.«
    Marte schüttelte den Kopf. »Das weiß ich. Ich wollte nur sagen, dass dein Vater gut bewacht wird. Vielleicht solltest du erst einmal mit Lambert Steinwich reden.«
    »Das habe ich schon, es hat nichts gebracht«, entgegnete Anneke und senkte den Kopf. »Wenn er gewillt wäre, meinem Vater Glauben zu schenken, hätte er ihn schon längst aus dem Kerker geholt.«
    »Vielleicht liegt es nicht so sehr an ihm, sondern daran, dass die Bewohner der Stadt nach all dem Leid, das sie durchmachen mussten, einen Sündenbock bestraft sehen wollen.«
    »Wie dem auch sei, wir wollen ihn aus dem Kerker holen. Hilfst du mir dabei?«
    Marte nickte und legte den Arm um sie. »Natürlich. Hättest du was anderes erwartet?«
    Nein, das hatte sie nicht. Auch nach diesen Monaten der Trennung war Marte immer noch die Alte geblieben.
    »Lebt mein Huhn noch?«, fragte Anneke, einer plötzlichen Eingebung folgend.
    »Natürlich lebt es noch. Denkst du, wir hätten es aufgegessen? So schlimm war die Belagerung der Stadt dann auch nicht.«
    »Kannst du es holen? Vielleicht brauchen wir es, um meinen Vater zu befreien.«
    Marte blickte sie verwundert an, als wollte sie fragen, was ein Huhn zur Befreiung ihres Vaters beitragen sollte. Dann nickte sie.
    »Warte, ich hole es.«
    Wie sich herausstellte, hatte Marte nicht nur das Huhn gepflegt, sie hatte auch den Käfig aufbewahrt. Mit beidem kam sie nach einer Weile durch die Hintertür.
    »Meine Mutter wird mir die Ohren langziehen, wenn sie erfährt, was ich hier mache«, bemerkte sie mit einem breiten Lächeln.
    »Sie muss es ja nicht erfahren«, gab Anneke zurück. »Du wirst spätestens im Morgengrauen wieder zurück sein.«
    »Und selbst, wenn ich es nicht wäre, es ist schön, dass ich dich wiedersehe. Wenn wir mal wieder mehr Zeit haben, musst du mir alles ganz genau erzählen.«
    »Das werde ich.«
    Während sie wie früher durch die Gassen gingen, zogen allerhand Gedanken durch Annekes Kopf. Sie drehten sich um die Dinge, die geschehen waren, und die Frage, was kommen würde.
    Bevor sie die anderen erreichten, entsann sie sich einer Sache, die ihre Freundin wissen sollte.
    »Ich habe in Stockholm einen Jungen kennengelernt«, erklärte Anneke mit einem leichten Lächeln. »Sein Name ist Ingmar und er ist ein Schiffsbauer.«
    »Du hast einen Liebsten?«, fragte Marte verwundert.
    Das Huhn im Käfig schlug einmal mit den Flügeln und es fühlte sich für Anneke wie ein zusätzlicher Herzschlag an.
    »Ja, das habe ich.«
    »Nicht zu fassen«, platzte es aus Marte heraus. »Du bist ein Jahr jünger als ich und nicht mal ich habe einen Liebsten.«
    »Dann wird es wohl Zeit«, entgegnete Anneke lachend und zerrte sie mit sich um die Hausecke, hinter der ihre Brüder und Ingmar warteten.
    *
    Der Ruf einer Krähe hallte über das Scharfrichterhaus, als Willkommensgruß an die jungen
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