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Sturmsegel

Sturmsegel

Titel: Sturmsegel
Autoren: Corina Bomann
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Händlers gesehen, der aus dem Holsteinischen stammte.
    Wieder schüttelte Marte den Kopf. »Christian von Dänemark wird nicht kommen. Der muss noch immer seine Niederlage bei Lutter verkraften. Das sagt jedenfalls mein Vater und der muss es wissen.«
    Martes Vater war der Stadtsoldat Hans Hagebohm, und deshalb bekam er Nachrichten über den Krieg immer als einer der Ersten. Doch das bewahrte ihn nicht davor, dass manche Informationen nicht ganz richtig waren. Die Niederlage des Dänenkönigs pfiffen in Stralsund aber sogar schon die Spatzen von den Dächern.
    »Aber vielleicht überlegt er es sich doch noch«, hielt Anneke dagegen, während sie weiterhin auf das Meer sah. »Meine Mutter sagt immer, dass Menschen ihre Meinung ändern können. Menschen haben die Kraft, Niederlagen wegzustecken und neu anzufangen.«
    »Könige sind andere Menschen als unsereins, vergiss das nicht«, gab Marte zu bedenken. »Sie leben in Schlössern, tragen feine Kleider und brauchen sich keine Sorgen zu machen, woher das Brot kommt. Wenn sie eine Niederlage erleiden, trifft es ihren Stolz so hart, dass sie sich in ihre gut beheizten Gemächer zurückziehen und vor sich hin leiden, anstatt die Zähne zusammenzubeißen.«
    Das glaubte Anneke nicht. Ihre Mutter hatte ihr erklärt, dass ein Herzog oder ein König wie der Vater für alle Menschen seines Landes war. Er musste ihnen doch als leuchtendes Beispiel vorangehen, denn wenn der König schon nicht kämpfen wollte, warum sollten es dann seine Untertanen tun?
    Während sie versuchte, eine Antwort auf diese Frage zu finden, kam das Schiff näher. Plötzlich leuchteten seine Segel auf.
    »Sieh nur, das Segel«, murmelte Anneke, ohne auf die Worte ihrer Freundin einzugehen. Der Anblick zog sie ganz in seinen Bann. »Es leuchtet!«
    Marte kniff die Augen zusammen. »Das ist nur ein Sonnenstrahl, der durch die Wolken fällt.«
    Das stimmte wohl, doch Anneke erschien es wie ein von Engeln gesandtes Licht, das dieses Schiff unter ihren Schutz stellte.
    Leider verging das Leuchten ebenso schnell wie es aufgetaucht war. Die Wolken zogen sich zusammen, bis sie wie der schwarze Schlund eines Drachen wirkten, der jeden Augenblick Feuer spucken würde. Das Schiff war kaum noch auszumachen.
    »Wir sollten zurückgehen«, schlug Marte vor, denn das Tosen des Windes nahm zu. Die Wellen bäumten sich auf wie wilde Pferde, die dem Strand entgegensprengten.
    »Noch einen Moment!« Anneke versuchte immer noch das Schiff zu beobachten. Sie war sicher, dass sein leuchtendes Segel ein Zeichen war.
    »Komm schon«, mahnte die Freundin und zerrte an ihrem Ärmel. »Du weißt, dass Wasser das Gewitter anzieht.«
    Wie zur Bestätigung ihrer Worte ertönte ein dumpfes Grollen. In der Ferne fuhr ein Blitz in die See. Das Schiff berührte er nicht, aber Anneke wusste, dass die hohen Segelmasten nicht vor den Blitzen gefeit waren. Manche Leute sagten, dass sie die Blitze sogar anziehen würden, und wiederum andere behaupteten, dass das Elmsfeuer, das den sicheren Untergang eines Schiffes prophezeite, nichts anderes war als wandernde Blitze.
    Würde das Schiff da hinten auf dem Wasser dieses Schicksal erleiden oder heil im Hafen ankommen?
    Plötzlich schwappte eine unerwartet große Welle an den Strand. Sie überschwemmte die Füße der Mädchen und spritzte ihnen die Gischt ins Gesicht.
    Anneke und Marte kreischten und sprangen aufgeschreckt zurück.
    Wenig später mischte sich das Lachen der beiden in das Tosen des Sturms, während der Boden unter ihren rennenden Füßen nur so dahinflog.
    *
    Stralsund wirkte mit seinen trutzigen Mauern wie eine Inselbastion. Bisher hatte es das kaiserliche Heer nicht gewagt, gegen sie anzurennen.
    Der Stadt vorgelagert war die Insel Rügen, das Gewässer hinter der Landzunge, auf der Stralsund errichtet worden war, gehörte allerdings nicht zur Ostsee. Es handelte sich um die Stadtteiche, in denen man Süßwasser anstaute, um die Menschen mit Trinkwasser zu versorgen. Drei schmale Dämme führten in die Stadt.
    Anneke und Marte rannten über den Knieperdamm, an dessen Ende das Kniepertor lag. Die Kniepers waren eine von Stralsunds angesehensten Familien, ihnen zu Ehren hatte man Tor und Damm so benannt.
    Die beiden Wachposten, die normalerweise darauf achtgeben sollten, dass keine Störenfriede in die Stadt kamen, hatten sich jetzt aber in ihr Wachhäuschen zurückgezogen. Die Mädchen huschten durch den hohen Torbogen und scheuchten ein paar Hühner zur Seite, die sich trotz des
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