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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
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Der Mann im roten Samtsakko lächelte, als er ihr Kopfschütteln sah.
    »Serkan! Serkan! Serkan!«, skandierte der Pöbel.
    Sie schaute sich um.
    Der Raum jenseits der schweren Eisentür war kein klassisches Hinterzimmer, in dem ein Tisch stand und ein paar halbseidene Gestalten mit dicken Zigarren in den Mundwinkeln illegal Poker spielten. Er war auch kein Kabuff, in dem ein Roulette aufgebaut war, das mittels eines versteckten Fußhebels manipuliert werden konnte und in dem ein halbes Dutzend Typen mit Hundertern um sich warfen. Eigentlich war dieser Raum noch nicht einmal ein Raum, denn dafür war er viel zu groß, die Bezeichnung Halle war da schon treffender. Eine Halle mit niedriger Decke und nackten Wänden, an denen unverkleidete Rohrleitungen entlangliefen.
    In der Nähe der Eisentür, die den einzigen Zugang darstellte, rotierte ein gigantischer Ventilator hinter einem Schutzgitter. Die Halle war ein ehemaliger Luftschutzbunker, und Johannes »Jo« Strasser hatte ihn der Stadt abgekauft, samt der darüber befindlichen Liegenschaften.
    Mara schätzte die Besucherzahl am heutigen Abend auf einhundert, womit der Bunker etwa zu einem Viertel gefüllt war. Frauen befanden sich kaum im Publikum, höchstens zehn oder zwölf, und dabei handelte es sich ausschließlich um junge Hühner, die sich bei eifersüchtigen alten Hähnen untergehakt hatten. Mara hingegen hatte niemanden zum Unterhaken, weshalb sie auffiel wie der sprichwörtliche bunte Hund. Folglich sah sie sich einer Mischung aus herablassenden und misstrauischen Blicken ausgesetzt. Zudem war sie der einzige Gast, der nicht eingeladen war oder sich eingekauft hatte. Letzteres war für niemanden ein Problem, denn alle stanken vor Geld, und ihr gemeinsames Interesse galt einer Kampfsportart, die sich Cage Fighting nannte. Für Maras Geschmack war das Cage Fighting kein Sport, sondern organisiertes Gemetzel.
    In der Mitte des Bunkers befand sich ein Boxring, der von Maschendraht umgeben wurde. Angeblich diente diese Umzäunung dem Zweck, die Kämpfer zu schützen, damit sie nicht im Eifer des Gefechts aus dem Ring stürzten und sich verletzten, doch wenn Mara sah, was Serkan just in diesen Sekunden mit seinem Widersacher anstellte, wäre es diesem vermutlich nur recht gewesen, in hohem Bogen aus dem Ring zu fliegen.
    Beim Cage Fighting waren lediglich vier Dinge verboten: Augenstechen, Beißen, Angriffe auf die Genitalien des Gegners … Das vierte Verbot lautete schlicht: Es darf niemand getötet werden. Ein Kampf war zu Ende, wenn einer der Kontrahenten bewusstlos war oder aufgab.
    Unter frenetischem Beifall der Menge rammte Serkan seinem Opfer den Ellenbogen in die Rippen. Mara hatte den Eindruck, das Brechen von Knochen zu hören, doch das war Einbildung, denn das Geschrei des Publikums übertönte alle anderen Geräusche.
    »Jo ist dort drüben!«, rief ihr der Kerl im roten Sakko zu.
    Er deutete auf einen Mann im gestreiften Hemd, der unmittelbar am Maschendraht stand und mit einer Gruppe Gleichgesinnter über das Massaker auf der anderen Seite fachsimpelte. Sein Anblick ließ Maras Herz schneller schlagen. Sie starrte ihn an.
    Johannes »Jo« Strasser besaß einige Bars und Bordelle, doch seit Neuestem machte er ein Vermögen als Promotor von Cage Fights. Seine Haupteinnahmequelle waren dabei nicht die Eintrittsgelder, sondern die filmische Vermarktung der Wettbewerbe, denn alles, was innerhalb der Maschendraht-Arena passierte, wurde aufgezeichnet und in Form von DVDs nach Japan und in die USA verkauft, wo sich die Gladiatoren des Käfigs einer riesigen Fangemeinde erfreuten.
    Angeblich war Jo Strasser ein gefährlicher Mann, der seinen Wohlstand mit harten Bandagen erkämpft hatte. Mit verdammt harten Bandagen, die nicht immer koscher waren. Für diese Behauptung sprach die Tatsache, dass er einige Leute zu seinen Freunden zählte, gegen die Polizei und Staatsanwaltschaft schon seit Jahren ermittelten.
    Auch Strasser selbst war in der Vergangenheit verschiedentlich ins Visier der Fahnder geraten, doch illegale Betätigungen hatte man ihm nie nachweisen können. Seine Kontakte zur Unterwelt galten jedoch als lebhaft, wie Mara in einem Observationsbericht gelesen hatte. Und genau wegen dieser Kontakte war sie hier.
    »Ich sehe ihn«, sagte sie und nickte dem Mann im roten Sakko zu. »Danke.«
    Wie es der Zufall wollte, drehte Strasser im gleichen Moment den Kopf und entdeckte sie. Als sich ihre Blicke trafen, zuckte er für einen winzigen, kaum
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