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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
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merklichen Moment zusammen. Sofort scheuchte er die Typen in seiner Nähe weg.
    Sie ging auf Strasser zu, er kam ihr auf halbem Weg entgegen.
    Er war ein Endvierziger mittlerer Größe, schlank, ungemein drahtig und ausnehmend hässlich. Seine Gesichtshaut sah aus wie ein Streuselbrötchen, seine Nase war breit und platt und unförmig, eine Erinnerung an seine Jugend, in der er Boxer gewesen war; ein guter Boxer mit berechtigten Chancen auf eine professionelle Karriere, doch ein komplizierter Mittelhandbruch hatte seine Laufbahn vorzeitig beendet.
    Strassers Haare zeigten noch keine Spur von Grau, sondern hatten die gleiche rötlich braune Färbung wie Maras, doch damit endete jegliche Ähnlichkeit. Seine Frisur war ein nach hinten gekämmtes Unding aus Pomade und viel zu langen Zotteln, das ungepflegt und schmierig aussah.
    »Was willst du denn hier?«, fragte er in einem Tonfall, den man ohne weiteres als Beleidigung auffassen konnte. Eine Begrüßung schien er für überflüssig zu halten.
    »Freut mich ebenfalls, dich zu sehen«, gab sie schnippisch zurück.
    Strasser musterte sie schweigend und mit mürrischer Miene. Schließlich machte er eine vage Kopfbewegung in Richtung Ring. »Das ist Serkan«, erklärte er, »mein neuer Top-Kämpfer. Im Dezember wird er in Amiland antreten. Die Yankees zahlen astronomische Börsen für …«
    Sie unterbrach ihn. »Ich bin weder interessiert an deinem Serkan noch an deinen Käfig-Metzger-Shows. Also verschone mich damit, okay?«
    Aus der Nähe konnte sie erkennen, dass Serkan behaart war wie ein Affe. Gerade hatte er auf seinem Gegner Platz genommen und setzte zum Schlussakkord an. Sie schüttelte erneut den Kopf.
    »Serkan! Serkan! Serkan!« Die Zuschauer waren völlig außer Rand und Band.
    Strassers Miene wurde noch eine Spur finsterer. »Zicke, wie? Ich erinnere mich nicht, dich eingeladen zu haben. Du kannst gern wieder gehen.«
    Sie hielt seinem Blick stand. In einem Tonfall, der genauso abweisend war wie seiner, sagte sie: »Ich bin nicht hergekommen, weil ich Sehnsucht nach dir habe, das kannst du mir glauben.«
    »Folglich bist du dienstlich hier?«
    »Ist dir das lieber als ein Privatbesuch?«
    Er wollte etwas erwidern, schluckte es jedoch hinunter. »Also? Was willst du?«
    »Was wohl? Informationen natürlich.«
    Strasser lachte freudlos. »Das ist wieder mal typisch. Erst lässt du dich monatelang nicht blicken, und wenn du in deinem Verein nicht weiterkommst, fällt dir plötzlich ein, dass ich noch lebe. Verdammt einseitige Geschäftsbeziehung, wenn du mich fragst. Aber so läuft das nicht, zur Abwechslung musst du jetzt auch mal was für mich tun.«
    »Da irrst du dich gewaltig! Ich muss gar nichts für dich tun, und eine Geschäftsbeziehung haben wir erst recht nicht! Vielleicht hast du es ja vergessen, aber ich bin Polizistin, ich habe einen Eid geleistet.«
    »Kommt jetzt wieder die Bulle-aus-Überzeugung-Leier?«
    Sie ignorierte die Provokation. »Wenn ich mich recht entsinne, habe ich geschworen, die Gesetze zu befolgen und meine Pflichten gewissenhaft zu erfüllen. Ja, ich glaube, das war in etwa der Wortlaut des Eides. Und jetzt, mein lieber Jo, für dich der Schocker zum Mitschreiben: Ich stehe zu diesem Eid, ich bin davon überzeugt, und ich werde mich daran halten. Das schließt aus, dass ich mich auf krumme Dinger einlasse. Auch nicht dir zuliebe.«
    »Krumme Dinger?«, erwiderte er spöttisch. »Das einzige krumme Ding, mit dem ich derzeit zu tun habe, hängt zwischen meinen Oberschenkeln und baumelt …«
    »Manchmal widerst du mich an, Johannes Strasser!«
    Sie sah ihm tief in die Augen, und dieser Blick signalisierte unendliche Enttäuschung. Er wurde unsicher, vielleicht weil er in ihrem Gesicht das Spiegelbild längst vergangener Zeiten sah und sich an eine gemeinsame, unzertrennliche Kindheit erinnerte. Damals war er ihr Beschützer gewesen, sie hatte zu ihm aufgeschaut, war ihm auf Schritt und Tritt gefolgt, und eines Tages, als Zwölfjährige, hatte sie ihm unter Tränen gestanden, dass sie ihn liebte und später heiraten wollte.
    Das war lange her. Mit achtzehn war sie zur Polizei gegangen, und er hatte sich für seinen Weg entschieden, wodurch eine Kluft zwischen ihnen entstanden war. Die alte Vertrautheit war nie wieder vollständig zurückgekehrt, allerdings war das Band zwischen ihnen auch nicht ganz zerrissen, selbst wenn es ein paar Mal kurz davor gestanden hatte. Um die Peinlichkeit des Augenblicks zu überspielen, griff er in die
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