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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
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dem Land.«
    Wagemann glaubte zunächst, sich verhört zu haben, und an Bolls Mienenspiel erkannte er, dass der Fettsack dem Gedankensprung des PP ebenfalls nicht folgen konnte.
    »Hä?«, stieß Boll hervor. »Ich verstehe nicht … Was für ein Krankenhaus?«
    Bohne starrte in den Rauch seiner Zigarre. Bedächtig fuhr er fort. »Nehmen Sie weiter an, in diesem Provinzkrankenhaus würde eines Tages eine verdorbene Blutkonserve verabreicht, was den Tod eines Patienten zur Folge hätte. Wie, denken Sie, würde die Presse darauf reagieren? Mit Zurückhaltung? Mit Feingefühl? Mit journalistischer Abgeklärtheit? Wohl kaum!« Er hob merklich die Stimme. »Sie würde schreien, Skandal würde sie brüllen, und zwar so laut, dass man es im ganzen Land hören könnte, davon dürfen Sie ausgehen, mein lieber Böll, davon dürfen Sie ausgehen. Und weiter? Was würde dann passieren?«
    »Ich weiß immer noch nicht, worauf Sie hinauswollen …«
    »Der Gesundheitsminister müsste seinen Hut nehmen, Böll, der Gesundheitsminister. Dabei hat er die Blutkonserve nicht verabreicht, oder? Ach was rede ich, er hat sie nicht nur nicht verabreicht , er hatte überhaupt keinen Einfluss auf das Provinzkrankenhaus und auf den dämlichen Ochsen, der geschlampt hat, so sieht es aus. Sollte sich am Ende herausstellen, dass mit der leidigen Blutkonserve alles in Ordnung war und der Patient an einem Herzanfall gestorben ist … Nun, dem Gesundheitsminister würde das nichts mehr nützen, denn ihn hätte man als Ersten abgeschossen.«
    Er machte eine Pause, um seine Worte wirken zu lassen. »In einer Polizeibehörde sind die Mechanismen die gleichen, und zwar haargenau. Patzen die Untergebenen oder geraten in Verruf, so färbt letzten Endes alles auf den Polizeipräsidenten ab.« Er sah Boll streng an. »Und auf seine Führungsriege, mein lieber Böll. In unserer Position darf man sich keinen Fehler erlauben, nicht den allerkleinsten, sonst ist man weg vom Fenster. Ich bin deshalb bemüht, so schnell wie möglich sämtliche schadhaften Zahnräder im großen Getriebe meiner Belegschaft auszutauschen. Können Sie mir folgen?«
    »Ich glaube schon.«
    Es war Boll anzusehen, dass er nicht die leiseste Ahnung hatte, worauf der PP hinauswollte. Wagemann hingegen konnte es sich lebhaft vorstellen. Mit den Fingern zeichnete er ein imaginäres Galgenmännchen vor sich auf die Tischdecke.
    Bohne sprach plötzlich Klartext: »Wenn Frau Sturm in Zukunft wieder einmal auffallen sollte – und Ihren Ausführungen zufolge ist sie dafür geradezu prädestiniert –, dann wird sich jeder sofort an diese alte Geschichte erinnern, an diese Affäre mit der verschwundenen Akte, von der Sie mir vorhin erzählt haben. Ob die Frau Oberkommissarin tatsächlich etwas falsch gemacht hat oder nicht, interessiert hinterher niemanden mehr, was übrig bleibt, ist ein schwarzer Fleck.«
    Er drückte die halb gerauchte Zigarre im Aschenbecher aus. »Wie ich schon sagte, patzen die Untergebenen, muss der Polizeipräsident den Kopf dafür hinhalten. Doch nicht mit mir. Schadhafte Zahnräder werden deshalb ausgetauscht, und zwar rigoros. Ich erwarte Ihre Vorschläge so bald wie möglich.«
    Endlich fiel bei Boll der berühmte Groschen. »Was ich vorhin zu erwähnen vergaß«, stammelte er, sichtlich aus der Fassung gebracht, »einer der vielen Verweise, die Frau Sturm kassiert hat, bezog sich auf eine gänzlich andere Angelegenheit.« Er räusperte sich.
    »Und die wäre?«
    »Ich weiß nicht, ob ich darüber sprechen kann …«
    »Mein lieber Böll, mit mir können Sie über alles sprechen. Außerdem finde ich es früher oder später ohnehin heraus.« Er setzte sein strahlendstes Gewinnerlächeln auf. »Also?«
    »Sie unterhält Kontakte zum hiesigen Milieu. Zur Unterwelt.«
    Wagemann malte die Initialen T. S. unter das Galgenmännchen.

Kapitel 3
    Mara hatte gewusst, was sie hinter der Tür erwartete, genauso wie sie gewusst hatte, dass es ihr nicht gefallen würde.
    Angewidert beobachtete sie, wie das Gesicht des Mannes gegen den Maschendraht gedrückt wurde. Seine Nase blutete, seine Lippen waren aufgeplatzt, sein linkes Auge fast komplett zugeschwollen. Ein Anflug von Verzweiflung huschte über seine deformierten Züge, während ein anderer Kerl, der ihm das Knie ins Kreuz stemmte und ihn damit ans Gatter nagelte, von hinten auf ihn eindrosch.
    »Los, Serkan, quetsch seine dämliche Fresse durch den Maschendraht!« Die Menge johlte, Mara kniff unwillig die Augen zusammen.
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