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Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
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gegenüberstehen, dem Mann, der in Unterweltkreisen schlicht Jo genannt wurde. Sie biss sich auf die Unterlippe.
    Jo würde nicht erfreut sein, sie zu sehen.

Kapitel 2
    »Wie war noch gleich der Name dieser Beamtin?«
    »Sie heißt Sturm. Tamara Sturm.«
    Der Fragesteller sog hörbar die Luft ein. Es handelte sich um den designierten Polizeipräsidenten (PP), Herr Dr. Waldemar Bohne, während sein Gesprächspartner ein hoher Verwaltungsbeamter war, ein ekelhafter Fettwanst namens Oswald Boll, der sich ständig mit einem Taschentuch die Stirn betupfte. Boll schwitzte wie ein Schwein, und auch optisch hatte er verdächtig viel Ähnlichkeit mit dem Spanferkel, dessen Kopf zwischen allerlei dekorativem Grünzeug auf einem Silbertablett lag und soeben von einem Kellner hinausgetragen wurde.
    Ort des Geschehens war der sogenannte Kaminraum des Cölner Hofbräu Früh , besser bekannt als Brauhaus Früh am Dom, und anwesend waren neben PP Bohne und Oswald Boll auch die höchsten Chargen des Polizeipräsidiums, alles in allem etwa dreißig Leute. Das Treffen war auf Einladung Herrn Dr. Bohnes zustande gekommen, da er es für eine gute Idee hielt, seine engsten Mitarbeiter schon eine Woche vor seinem offiziellen Amtsantritt kennenzulernen, im Rahmen eines zwanglosen Abendessens. Oder »bei einer informellen Schnupperrunde«, wie er sich ausgedrückt hatte. Nach dem üppigen Mahl mit Cremesüppchen von frischem Gartenlauch und Spanferkelbraten mit getrüffeltem Rosenkohl und Kartoffelklößen war die Gesellschaft in zahlreiche Grüppchen zerfallen, die nun überall herumsaßen und bei Espresso oder Cognac miteinander plauderten. Die Stimmung war reichlich gehoben und kollegial.
    Polizeirat Hartmut Wagemann, der zufällig in der Nähe des PP saß, war schockiert. Der Neue nutzte die lockere Atmosphäre, um seine künftigen Mitarbeiter schamlos auszuhorchen und Dinge in Erfahrung zu bringen, die schlicht und ergreifend nicht für die Ohren eines Chefs bestimmt waren. Wagemann wollte nicht so weit gehen, dem Polizeipräsidenten zu unterstellen, dass er den gemeinsamen Abend eigens zu diesem Zweck organisiert hatte – inszeniert wäre in diesem Fall der treffendere Ausdruck gewesen –, doch nun, da sich die Gelegenheit bot, hörte Herr Dr. Bohne interessiert zu, wo es etwas zu hören gab. Das gute Essen und vor allem das viele Kölsch, das reichlich geflossen war, hatten einige Zungen bemerkenswert mitteilungsfreudig gemacht. Einer der Redseligsten war Fettsack Boll.
    »Tamara Sturm«, hörte Wagemann den Polizeipräsidenten wiederholen, als hätte allein der bloße Name eine tiefere Bedeutung. »Eine üble Affäre, Böll, eine wirklich üble Affäre. Ich danke Ihnen, dass Sie mich davon in Kenntnis gesetzt haben, schließlich interessiere ich mich auch für die Geschehnisse, die vor meiner Zeit in dieser Behörde passierten.« Er lachte. »Wer will schon eines Tages eine Leiche im Keller finden, die sein Vorgänger dort zurückgelassen hat? Sie verstehen, was ich meine, Böll?«
    »Boll, Herr Polizeipräsident, ich heiße Boll, nicht Böll.«
    »Wie auch immer, ich danke Ihnen für Ihre Offenheit.«
    Boll deutete im Sitzen eine Verbeugung an, wobei ihm sein Schmerbauch im Weg war, der kaum hinter den Tisch passte. Wagemann konnte nicht umhin, wieder an das Spanferkel zu denken. Hätte man Boll einen Apfel ins Maul gestopft … Er zwang sich, den Gedanken zu verdrängen.
    Die »üble Affäre«, über die man sich vorhin ausgelassen hatte und die rein zufällig aufs Tapet gekommen war, betraf Kriminaloberkommissarin Sturm. Die Ärmste tat Wagemann leid, denn sie hatte deswegen bereits eine Menge durchgestanden. Im gesamten Polizeipräsidium gab es kaum jemanden, der nicht von der Sache gehört hätte, und sogar in anderen Präsidien wurde hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen.
    Wagemann kannte Tamara Sturm nicht persönlich, denn immerhin zählte das Präsidium fast 5000 Mitarbeiter, doch er hatte ihr Foto in der Zeitung gesehen. Außerdem wusste er nur zu gut, welchem Ereignis sie ihre traurige Berühmtheit verdankte. Dieses Ereignis, die »üble Affäre«, lag inzwischen fünf Monate zurück.
    Wenn sich Wagemann richtig entsann, war der Auslöser eine Razzia im Rotlichtbezirk gewesen, doch irgendwie geriet der anfängliche Routineeinsatz außer Kontrolle. In der Folge kam es zu einem Schusswechsel, mit dem Ergebnis, dass ein toter Zuhälter im Rinnstein lag. Den letalen Schuss gab Kriminaloberkommissarin Sturm ab, die
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