Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturms Jagd

Titel: Sturms Jagd
Autoren: M Quandt
Vom Netzwerk:
zerrte, was ihn aus dem Gleichgewicht brachte. Da er eine Treppenstufe höher stand als sie, hing er einen Wimpernschlag später wie ein nasser Sack über ihr, doch nur für einen Sekundenbruchteil. Dann flog er.
    Ein versierter Judoka hätte in dem Manöver einen O-Goshi erkannt, einen sogenannten Hüftwurf, der die ideale Technik darstellt, wenn ein kleiner Mensch gegen einen weitaus größeren antreten muss. Körperkraft spielt dabei nicht die geringste Rolle, dafür kommen andere Gesetze der Physik zum Tragen. Dass Mara mit ihren 1 Meter 71 wesentlich kleiner war als der Schrank, gereichte ihr in diesem Moment sogar zum Vorteil, da es ihr deshalb umso leichter fiel, den eigenen Körperschwerpunkt unter den des Gegners zu bugsieren. Nachdem sie den Riesen ausgehebelt hatte, brauchte sie nichts weiter zu tun, als ihn fallen zu lassen. Seine zwei Zentner, im Zusammenspiel mit der Erdanziehungskraft, sorgten für den unvermeidlichen Niedergang. Was wie das Werk einer wahrhaftigen Kung-Fu-Queen anmutete, war in Wirklichkeit kinderleicht und hätte sogar von einer Zwölfjährigen vollbracht werden können. Wichtig war, dass man wusste, wie es funktionierte, dass man Übung hatte und die Nerven behielt.
    Olli schrie erbärmlich, als er auf die Betonplatten des Gehwegs klatschte. Unglücklicherweise landete er auf seinem rechten Arm, genau genommen auf dem Ellbogen, was ihm große Schmerzen bereitete.
    Doch auch Mara ging zu Boden, da sie das Gleichgewicht verlor. Sie hatte den Wurf schlecht ausgeführt – unsaubere Technik, hätte ein Kampfgericht geurteilt –, was zweifellos an ihren weichen Knien lag, als ihr für die Dauer eines Wimpernschlages bewusst wurde, dass sie sich soeben mit zwei Kleiderschränken angelegt hatte, die in der Lage waren, sie in der Luft zu zerreißen, wenn sie erst wieder ihre Sinne beisammen hatten. Maras Nervosität war verständlich, aber fatal.
    Gerade als sie aufstehen wollte, fühlte sie sich von hinten gepackt und mit unwiderstehlicher Wucht in die Höhe gerissen. Das musste der zweite Türsteher sein, Meister Proper. Zwei affenartig behaarte Arme umklammerten ihren Leib, und sie hatte das Gefühl, in einen Schraubstock geraten zu sein, der ihr die Luft aus den Lungen presste und die Brust zerquetschte. Sie japste und versuchte, mit der Hacke gegen das Schienbein des Riesen zu treten, doch das führte augenblicklich zu noch stärkerem Druck, weshalb sie den Widerstand aufgab.
    Der Glatzkopf forderte Olli auf, sich nicht so läppisch anzustellen und endlich aufzustehen, verdammt noch mal, und die Schlampe zu durchsuchen. Die Antwort, die aus dem Rinnstein ertönte, war ein Stöhnen, gefolgt von einer obszönen Schimpfkanonade.
    Inzwischen war eine Handvoll Neugieriger auf das Spektakel aufmerksam geworden und glotzte von der anderen Straßenseite herüber. Niemand machte Anstalten, sich einzumischen und die amüsante Vorführung zu stören. Weit entfernt, aus Richtung Güterbahnhof, war das Rattern einer Rangierlok zu hören.
    Endlich rappelte sich Olli auf. Umständlich klopfte er sich den Staub vom Jackett, dann massierte er seinen rechten Ellbogen. »Wenn da was kaputt gegangen ist, mach ich dich fertig, du Miststück! Ich bin Boxer und brauche beide …«
    »Ja, toll!«, fuhr ihn der Glatzkopf an. »Spar dir die Ansprache und durchsuch sie! Dass sie gefährlich ist, wissen wir jetzt. Vielleicht ist sie eine von Smertins Schlampen.«
    Seine Stimme drang in Maras Unterbewusstsein, doch sie war kaum in der Lage, die Bedeutung der Worte zu verstehen. Ihr wurde schwarz vor Augen, der Druck, der auf ihr lastete, wurde fast unerträglich. Sie wollte den Gorilla bitten, loszulassen, brachte jedoch keinen Ton heraus. Wäre sie dazu in der Lage gewesen, hätte sie sogar gefleht. Fieberhaft überlegte sie, welchen Ausweg es gab, aber da war keiner. Das Einzige, was sie tun konnte, war abwarten und hoffen, nicht zu Mus zermatscht zu werden. Sie spürte eine Hand, die unter ihrer Lederjacke auf Wanderschaft ging. Die Visitation fand ein jähes Ende, als die suchenden Finger etwas zu fassen bekamen.
    Gleich darauf wurde Ollis Hand wieder sichtbar – und hielt eine Pistole in die Höhe.
    »Was ist das?«, entfuhr es ihm, obwohl jeder, er eingeschlossen, deutlich sehen konnte, was das war.
    »Such weiter!«, wies der Glatzkopf seinen Kompagnon an. Dann zischte er Mara ins Ohr: »Was macht eine wie du mit ’ner Wumme?«
    Die Pistole wurde vorsichtig zu Boden gelegt, bevor Olli die Durchsuchung
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher