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Stundenlohn für flotte Gangster

Stundenlohn für flotte Gangster

Titel: Stundenlohn für flotte Gangster
Autoren: Stefan Wolf
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etwas
erschreckt und Annas Haltung schien auszudrücken, sie suche Schutz. Das Haar
trug sie kurz, im vergeblichen Bemühen, sich damit eine sportlich kesse Note zu
geben.
    Die Studien-Assessorin
unterrichtete Englisch und Deutsch. Ihr Wesen war sanft. Eine schlechte Note zu
geben, bereitete ihr sicherlich Bauchweh. Dass sie bei allen männlichen
Schülern beliebt war, versteht sich von selbst. Aber auch die Mädchen mochten
Anna Riedel ausnahmslos. Ihr Spitzname ,die schöne Anna’ war ein freundliches
Etikett und frei von jedem Spott.
    Jetzt saß sie auf ihrem Badetuch
und blickte auf zu dem Typ, der stehend auf sie einredete.
    „Sie scheint ihn zu kennen“,
stellte Tim fest.
    „Aber begeistert ist sie
nicht“, sagte Gaby.
    Klößchen beschattete die Augen
mit flacher Hand. „Ziemlich billiger Typ.“
    Tim grinste. „Eine Kreuzung aus
Bodybuilder, Model für Unterwäsche und Anabolika-Dealer (Anabolikum =
gesundheitsschädliches, Muskel bildendes Präparat).“
    Der Mann war braun gebrannt,
schwarz lockig und hatte jene Art von Muskeln, die optisch was hermachen, aber
bei Gebrauch versagen. Seine Schwimmshorts waren so strahlend blau, wie man
sich ein Meer zum Baden erträumt.
    Hm!, dachte Tim. Die beiden
reden heftig miteinander. Und Anna bricht gleich in Tränen aus — das sehe ich
sogar von hier.
    „Wahrscheinlich will er mit
Anna Wasserball spielen“, meinte Klößchen. „Aber sie will sich sonnen. Kann sie
überhaupt schwimmen?“
    Keiner wusste das.
    Tim beobachtete jetzt, wie der
Strand-Adonis in die Hocke ging, aber Anna wandte sich ab, drehte ihm den
Rücken zu und warf sich einen grell bunten Pareo (Wickeltuch) über die
Schulter.

    Der Adonis quasselte noch eine
halbe Arie ins Leere — ohne Aufmerksamkeit zu erzielen.
    Schließlich streckte er sich wieder
und schritt davon mit angespannten Muskeln und erhobenem Haupt.
    Tim spürte instinktiv
Unbehagen. Als der Mann das Gesicht in seine Richtung wandte — zufällig
erschrak er: über die kalte Wut in den ausgemergelten Zügen.
    „Uih!“, meinte Gaby. „Der ist aber
verstimmt.“
    „Verstimmt? Der kocht.“
    „Vielleicht nimmt er’s
persönlich, dass er abgeblitzt ist.“ Gaby lachte auf und verbesserte sich.
„Aber wie soll man’s sonst auffassen, wenn nicht persönlich. Zu- oder
Abneigung, das hat nur damit zu tun.“
    „Anna scheint jetzt zu
schlafen“, vermutete Klößchen. „Jedenfalls schützt das Tuch sie vor
Sonnenbrand.“
    Damit war das Thema beendet.
Karl las weiter. Auch Klößchen schlief ein. Tim kitzelte Gaby mit einem
Grashalm. Im Freibad tobte die Hölle. Und das keimfreie Wasser roch und
schmeckte nach Sonnencreme.
    Die Sonne stand hoch. Mittag.
Aber nicht mal Klößchen hatte Hunger. Tim sagte, er lade ein, trabte mit seinem
Portemonnaie zum Kiosk und kam beladen zurück: noch ein Schoko-Eis für
Klößchen, Cola light für Gaby, Karl und sich selbst.
    Um 13.03 Uhr machte Gaby einen
Vorschlag.
    „Hier ist es doch doof. Und ich
will auch nicht in die Brühe. Aber Lust auf Schwimmen habe ich total. Wollen
wir nicht zum Klarbacher Waldsee fahren? Dort ist das Wasser fast trinkbar — so
rein, eine herrliche Natur ringsum und kaum Leute, weil man nur zu Fuß oder mit
dem Bike hinkommt.“
    „Starke Idee!“, nickte Tim.
„Machen wir.“
    „Aber dort gibt’s keinen
Kiosk“, gab Klößchen zu bedenken.
    „Dafür aber Walderdbeeren“,
erwiderte Gaby. „Wenn du das Ufer abgrast, kommst du auf deine Kosten.“
    Sie räumten den Platz.
    Tim blickte zu Anna Riedel,
doch sie war nicht mehr da.
    Zufällig sah er sie dann, als
sie in einer der Umkleidekabinen verschwand.
    Zehn Minuten später — auf dem Parkplatz
hinter dem Schwimmbad — sah er die Lehrerin abermals.
    Tim hatte sich beeilt und war
als Erster am Fahrradstand, wo TKKG die Tretmühlen angekettet hatten.
    Gaby, Karl und Klößchen kamen
soeben durch den Ausgang, die City-Rucksäcke mit den Badesachen geschultert.
    Tim hatte sein Rennrad schon
losgemacht und stützte sich auf den Sattel. Zufällig glitt der Blick über den
Kfz-Parkplatz. Die Autos standen dicht bei dicht.
    In Sicht-, aber nicht in
Hörweite hatte Anna Riedel ihren silbergrauen Golf abgestellt. Sie trug jetzt
ein geblümtes Sommerkleid und legte ihre Badetasche auf den Rücksitz.
    Als sie die Tür schloss, war
plötzlich der Adonis neben ihr — schien aus dem Boden gewachsen zu sein, als
habe er geduckt zwischen den Wagen gelauert.
    Sein cremefarbener Anzug
glänzte in der Mittagssonne.
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